Zweiter Weltkrieg

Vor 75 Jahren – Das Kriegsende in Bonn und der Region

Die Ereignisse der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs in Tagebuchform

Mit dem Herbst 1944 hat der Zweite Weltkrieg endgültig Bonn erreicht. Beim schwersten Luftangriff auf die Stadt am 18. Oktober 1944 wird ein Großteil der Innenstadt zerstört, rund 400 Menschen sterben. Während im Osten die Staatsgrenze zur Front wird, bricht auch wenige hundert Kilometer westlich von Bonn das letzte Kapitel des Krieges an, fordert aber noch einmal zahlreiche Menschenleben.

Im Hürtgenwald nahe Aachen fallen im Herbst 1944 fast ebenso viele US-Soldaten wie später im gesamten Vietnamkrieg. In der amerikanischen Militärgeschichte nehmen die Ereignisse in dem unwegsamen Waldgebiet bis heute als Metapher des Schreckens einen festen Platz ein. Unter enormem Aufwand bringt die deutsche Ardennenoffensive um die Jahreswende 1944/45 der Wehrmacht zunächst die erhoffte Entlastung, bricht dann aber aufgrund mangelnder Versorgung im Januar 1945 in sich zusammen. Währenddessen konnte Aachen als erste deutsche Stadt nach schweren Kämpfen bereits am 21.Oktober 1944 von den Alliierten besetzt werden, ein Stück westlich davon verläuft Anfang Februar die Front. Strategisch wichtige Städte wie Euskirchen mit seinen Brücken über die Erft) sowie die an der Rur gelegenen Städte Düren, Jülich und Heinsberg werden bei Angriffen schwer zerstört.

Bombenangriff auf Bonn
Bonn hat im Verlaufe des Krieges 72 Luftangriffe über sich ergehen lassen müssen, darunter sieben Großangriffe. Doch der Angriff vom 18. Oktober 1944 prägte sich als der stärkste und folgenschwerste ins Bewusstsein der Kriegsgeneration ein. 75 Jahre nach dem Angriff wurde in Bonn der Zerstörung der Altstadt gedacht Prälat Klaus Becker erlebte den Angriff als Messdiener bei einer Taufe. Im General-Anzeiger erinnert er sich 75 Jahre danach, wie er den Tag und die Wochen danach als Elfjähriger erlebt hat.
Bombenangriff auf Lengsdorf
Am 28. Dezember 1944 starben bei einem Bombenangriff auf Lengsdorf 60 Menschen. Karl Schneider schrieb seine Erinnerungen zu dem Angriff der Aliierten auf.
Luftangriff auf Siegburg
Am 28. Dezember 1944 wurden die Siegburger Innenstadt und die Abtei bei einem Luftangriff schwer getroffen. Es gab zahlreiche Tote und Schwerverletzte. Ein Rückblick.
Bombenangriff auf Rheinbach
Am 29. Januar 1945 sterben bei einem Bombenangriff auf Rheinbach mehr als 130 Menschen. Heinz Löhrer geht im Archiv seines Vaters auf die Suche nach Fotos von damals.
Bombenangriff auf Odendorf
Am 10. Januar 1945 ging über Swisttal.Odendorf ein Bombenteppich nieder. Maria Michels, damals sieben Jahre alt, erinnert sich.
Kriegsende im Ahrtal
Jedes Jahr am 23. Dezember läutet die Glocke von Sankt Antonius in Green (Kreis Ahrweiler) in Erinnerung an den Bombenangriff 1944. Wie durch ein Wunder gab es keine Toten. Für die Nachbarorte Ahrweiler und Bachem sollte sich der 24. Dezember jedoch als Schreckensweihnacht erweisen. Bei einem Bombenangriff am Mittag des 29. Januar 1945 verloren 85 Menschen ihr Leben. An Tagen mit klarem Himmel suchte während der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs nahezu die gesamte Bevölkerung von Ahrweiler Schutz im Silberbergtunnel.
Bombenangriff auf Meckenheim
Anfang März legen amerikanische Angriffe das damalige Dorf Meckenheim mit 500 Bomben in Trümmer. 250 Menschen sterben, kaum ein Haus bleibt verschont.
Vormarsch amerikanischer Truppen im Siebengebirge
Ab dem 7. März marschierten die Amerikaner zwei Wochen lang durchs Siebengebirge und trafen auf zum Teil heftigen Widerstand. Die Menschen suchten Schutz in Ofenkaulen und Bergwerken.
Die Brücke von Remagen
Wie eine Festung wurde die Ludendorff-Brücke für den Ersten Weltkrieg gebaut. Nun verkürzt die Remagener Brücke den Zweiten Weltkrieg um Monate und rettet so Tausenden Menschen das Leben. Am 7. März rücken die amerikanischen Soldaten zur Brücke vor.
Die Befreiung Bonns
Am 9. März 1945 ist die Stadt Bonn fest in der Hand der US-Truppen. Zuvor erlebte die Stadt einige dramatische Stunden. Bad Godesberg hatten die US-Truppen schon am Vorabend kampflos eingenommen.
Kriegsende in Bad Honnef
Vor 75 Jahren marschierten die amerikanischen Soldaten durch die Honnefer Innenstadt. Die Honnefer verkrochen sich vor dem Granaten-Beschuss in den Kellern.
Kriegsende in Bonn-Oberkassel
Doris Bosselmann erinnert sich an das Kriegsende vor 75 Jahren. Sie begab sich mit ihrer Familie auf einen gefährlichen Aufstieg zum Stingenberg, dessen Stollen den Oberkasselern Schutz boten.
Königstiger-Panzer rollten durchs Hanfbachtal
Jürgen Tegethoff aus Königswinter hat das Ende des Zweiten Weltkriegs als 20-jähriger Panzerkommandant erlebt. Der heute 95-Jährige beschreibt die letzten Kriegstage im März 1945
So endete am 9. April der Zweite Weltkrieg für Siegburg

Zugleich versuchen Amerikaner und Engländer, auch das künftige Angriffsgebiet „sturmreif“ zu schießen und fliegen nahezu täglich ihre Angriffe auf kleinere wie größere Städte hinter der Front. Die britischen Bomber kommen in der Nacht und werfen ihre Fracht vorrangig über Wohngebieten ab, um die Unterstützung der Bevölkerung für das nationalsozialistische Regime zu brechen. Die Amerikaner hingegen fliegen bei Tageslicht und treffen vor allem kriegswichtige Betriebe und Verkehrswege.

Die letzten Kriegstage

Am Niederrhein bereiten sich amerikanische, britische und kanadische Bodentruppen auf den Vorstoß zum Rhein vor. Und auch in Bonn lebt die Bevölkerung in einer Mischung aus Erwartung der heranrückenden Truppen und Bewältigung des Alltags. Der General-Anzeiger zeichnet die Ereignisse in Tagebuchform nach.

31. Januar – 5. Februar
5. Februar – 9. Februar
10. Februar – 14. Februar
15. Februar – 19. Februar
20. Februar– 24. Februar
25. Februar – 29. Februar
1. März – 4. März
5. März– 8. März
9. März – 14. März
15. März – 19. März
20. März – 24. März
25. März – 29. März
29. März – 4. April
5. April – 9. April
11. April – 14. April
15. April – 18. April
20. April – 24. April
25. April – 27. April
28. April – 2. Mai
4. Mai – 8. Mai   

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31. Januar

Längst füllen in den Lokalzeitungen die Todesanzeigen mit den Namen Gefallener und Bombenopfer aller Altersgruppen neben dem Eisernen Kreuz täglich mehrere Spalten. Am 31.Januar melden die „Bonner Nachrichten“ aus Rolandseck den Tod eines Prominenten: „Peter Millowitsch, der Leiter der weit über das Rheinland hinaus bekannten Kölner Millowitsch-Heimat-Bühne, ist hier nach kurzer Krankheit gestorben. 38 Jahre lang verkörperte er in vielen Bühnenstücken das kölsche Leben, dem er vor allem als Tünnesdarsteller mit unverwüstlichem Lebensmut immer wieder treffend Ausdruck verlieh“.

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1. Februar

Angesichts der ständig zu erwartenden Bombenangriffe gibt die Zeitung Weisungen „von oben“ weiter: „Auch Kraftfahrzeuge und Fahrräder müssen während der normalen Verdunkelungszeit ordentlich verdunkeln. An den Eingangsstraßen der Städte werden ab jetzt Warnflaggen aufgestellt, um hereinkommende Fahrzeuge darauf aufmerksam zu machen, daß in der betreffenden Stadt Alarm gegeben ist.“

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2. Februar

Die Bonner Polizei geht per Pressemeldung auf ein zeittypisches Delikt ein: „Trotz hoher Strafe wird immer wieder in Wohnungen und Keller beschädigter Häuser eingedrungen und daraus gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Täter sind auch in den Kreisen zu suchen, die selbst bombengeschädigt sind und nunmehr auf billige Weise mit fremdem Eigentum einen Hausstand errichten wollen, selbstverständlich unter Verwendung besserer Sachen als die eigenen waren. (…)“

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3. Februar

Das Standesamt Bad Godesberg beurkundete im Januar 45 Geburten, 18 Eheschließungen und 150 Sterbefälle.

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4. Februar

Der letzte schwere Bombenangriff auf Bonn und Bad Godesberg. US-Luftstreitkräfte werfen rund 2000 Sprengbomben und zahlreiche Brandbomben ab. Weil brennende Reisighaufen und Magnesiumfackeln zwischen Annaberger Hof und Ippendorf die amerikanischen Piloten täuschen, bleibt die Innenstadt weitgehend verschont. Zerstörungen gibt es in Kessenich und in der Flak-Kaserne auf dem Venusberg. 

Bei einem Angriff auf Bonn wird ein viermotoriger britischer Lancaster-Bomber abgeschossen. Beim Absturz in Beuel, vermutlich nahe der heutigen Elsa-Brandström-Straße, verlieren alle sieben Besatzungsmitglieder ihr Leben.

Die damals zwölfjährige Uschi Keusen aus Mehlem führt zu dieser Zeit ein Tagebuch. Am 4.Februar 1945 notiert sie in lakonisch: „Gestern habe ich meiner Buche im Vorgarten den ersten Frühlingsbesuch abgestattet. Aber weil die Bomben fielen, mußte ich wieder hinunterklettern. Man merkt nur zu gut, daß wir frontnahes Gebiet sind, denn den ganzen Tag wackelt das Haus.“

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5. Februar

An der Urft-Talsperre und in der Schneifel versuchen amerikanische Truppen vorzurücken. Die Bonner Polizei meldet: „In der Sternstraße wurden zwei Fässer Butter zu je 50 kg und zwei Kisten Mainzerkäse gestohlen. Die Ladentür wurde mit Gewalt aufgebrochen. Es handelt sich offenbar um Täter, die mit der Beute schwunghaften Handel treiben. Durch diese Tat ist nicht nur der Verteiler geschädigt, sondern vorwiegend die Volksgenossen, denen dadurch die Ware entzogen wird. Wenn daher andere gewissenlose Volksgenossen solche Waren im Schwarzhandel kaufen oder tauschen, um sich zusätzlich Lebensmittel zu verschaffen, müssen sie mit schwerer Bestrafung rechnen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß diese Menschen von den ermittelten Einbrechern in keinem Falle geschont werden.“

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6. Februar

In ihrem Tagebuch vermerkt die zwölfjährige Uschi Keusen aus Mehlem: „Die russische Offensive steht schon 50 km vor Berlin. Wir haben kein Salz mehr; auch mit Brot sind wir sehr schlecht dran. Von Baden-Baden hörten wir vorige Woche. Gestern sagte der Wehrmachtsbericht: „Aus Appenweier wurde der Feind wieder geworfen.“ Das ist von Baden-Baden so weit wie von hier bis Remagen! Aus allen diesen Berichten kann man auf ein baldiges Kriegsende hoffen!“

Für Jungen, die etwas älter sind, gilt das nicht. Als Teil des „letztes Aufgebotes“ werden auch Männer zwischen 16 und 60 Jahren zum „Endkampf“ an die Front gerufen. An seinem 16. Geburtstag im Februar 1945 erreicht etwa Heinz Felten die Einberufung ins Wehrertüchtigungslager Haus Calmuth bei Remagen. Bis zu 250 Gleichaltrige sollen dort fit gemacht werden gegen die „anglo-amerikanischen Imperialisten“. Doch Feltens Gruppe desertiert.

Im Westen werden schwere Kämpfe entlang der deutsch-luxemburgischen Grenze gemeldet. In der Eifel haben deutsche Verbände die Rurtalsperre gesprengt, um den Vormarsch der Alliierten zu bremsen.

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7. Februar

Nahe Kleve am Niederrhein beginnt die „Operation Reichswald“, in deren zweiwöchigem Verlauf mehr als 10.000 Soldaten beider Seiten fallen. Die Schlacht bildet den Auftakt des Rheinfeldzuges, der bis zum 10. März 1945 auf der Gesamtlänge des westlichen Rheinufers zur Verdrängung der deutschen Truppen führt. In der Höhe von Köln und Mönchengladbach bildet das Flüsschen Rur seit dem Herbst die Front.

Manfred Kersten aus Köln-Riehl ist 15 Jahre alt, als er sich am 7. Februar 1945 im schwäbischen Binswangen zur Erfüllung seiner „Jugenddienstpflicht“ meldet. „Wir gehen einer immer schrecklicheren Zeit entgegen“, schreibt er am 12. Februar in einem Brief an die Eltern. „Der Feind dringt immer weiter vor, und wenn die Engländer bis Lindau vordringen, dann wird sicher der Volkssturm von Oberstdorf und Umgebung aufgerufen. Dann müssen wir alle an die Front.“ Fest verankert in seinem bürgerlichen Elternhaus – der Vater war Anhänger der katholischen Zentrumspartei – habe er gelernt, den Indoktrinierungsmaßnahmen der Nazis zu widerstehen, erzählt der 85-Jährige 70 Jahre später dem General-Anzeiger. Dreimal tritt er im Ausbildungslager auf die Frage „Wer meldet sich nicht freiwillig an die Front?“ nach vorn, beim dritten Mal wird er so zusammengetreten, dass er wimmernd am Boden liegt. Den Krieg überlebte der später in Mehlem lebende Kersten, die Jahre unter der Knute des Nationalsozialismus nennt er „eine verlorene Jugend“.

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8. Februar

Die „Bonner Nachrichten“, deren Aufmacher auf der Titelseite nun fast täglich im gleichgeschalteten NS-Jargon mit den Worten beginnt „Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt“, empfehlen für den Aufenthalt auf den Bahnhöfen: „(…) Wenn die Sirenen ertönen und die Bahnhofslautsprecher Fliegeralarm verkünden und zum Verlassen des Zuges auffordern, dass also schnellstens in Richtung der rot-gelben Pfeile oder nach den Anweisungen der Bahnbeamten die Luftschutzräume aufsuchen (…)“ Gekämpft wird in der Schneifel, entlang der Flüsse Mosel, Sauer und Rur. In Schlesien bildet die Oder die Front, Ostpreußen ist von der Roten Armee eingeschlossen. Für die überlebenden Bewohner der Dörfer rund um den Hürtgenwald heißt es erst einmal aufatmen. Nach vier Monaten enden dort mit der alliierten Einnahme des Eifel-Ortes Schmidt am 8. Februar die Kämpfe.

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9. Februar

Das auf dem Rhein zwischen Linz und Kripp verkehrende Fährschiff „Franziska“ erhält am Nachmittag des 9. Februar, einem Freitag, einen Volltreffer durch angreifende amerikanische Bomber. Drei Meldungen aus den „Bonner Nachrichten“: „Hunde, die bei Fliegerangriffen auf Bonn verloren gingen oder gefunden werden, wolle man in Bonn beim Fundbüro im Stadthaus oder in Godesberg beim Fundbüro im Rathaus abgeben.“
„Die Hausschlachtungen sind besonders geeignet, das Sammelergebnis des wichtigen Rohstoffs Knochen weiter zu steigern, (…) sodass durchschnittlich bei jeder Hausschlachtung aus der Knochenablieferung drei Stück Seife zusätzlich gewonnen werden können.“
„Verdunkelungszeiten: 9. Februar Verdunkelung 17.37 Uhr. 10.Februar Entdunkelung 7.17 Uhr.“

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10. Februar

Seit Tagen herrscht im Rheinland bittere Kälte. Am Wochenende des 10. und 11. Februar 1945 werden in Bonn zeitweise minus 20 Grad gemessen.
In der Schneifel bei Prüm versucht die 3. US-Armee den Durchbruch. Schwere Kämpfe zwischen kanadischen und deutschen Einheiten bei Nimwegen. Die Gegend um Aachen ist seit mehr als drei Monaten unter amerikanischer Kontrolle. Von dort melden die NS-geprägten Zeitungen unter der Rubrik „Aus dem feindbesetzten Grenzgebiet“: „Im Wurmrevier und dem Selfkant fanden in der letzten Zeit wieder umfassende Haussuchungen bei den Deutschen statt. Wegen verbotenen Besitzes von Waffen, Radioapparaten und Bildern führender Persönlichkeiten des nationalsozialistischen Deutschland wurde eine ganze Reihe von Verhaftungen durchgeführt.“

Im Deutschen Reich werden unterdessen Todesstrafen für „Pflichtvergessene“ verhängt: „Das Urteil ist durch Erschießung vollstreckt worden“, melden lapidar die Zeitungen. In anderen Fällen werden die Delinquenten „in das Bewährungsbataillon eingereiht“.

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11. Februar

„Nun wohnen hier bei uns noch mehr Leute….“, beginnt Uschi Keusen aus Mehlem ihren Tagebucheintrag am 11.Februar 1945. Es ist Karneval, und dann gibt es Alarm….

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12. Februar

Die Behörden im Siegkreis erlassen einen Appell an die Bevölkerung, sich „im Stromverbrauch ab sofort denkbar größte Einschränkung aufzuerlegen“. Die Stromeinsparung, die mindestens 30 Prozent betragen soll, beruht zunächst noch auf Freiwilligkeit. „Partei und Behörde erinnern jeden Volksgenossen an sein Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein und erwarten, daß durch ausreichende freiwillige Stromeinsparung Zwangsmaßnahmen vermieden werden“, heißt es in dem Erlass.

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13. Februar

Unter der Überschrift „Tapferes Bonn“ beschwört in den „Bonner Nachrichten“ ein Autor mit dem Kürzel Dr. Th. mit pathetischen Worten das Erscheinungsbild der zerstörten Universitätsstadt: „Gewiß, die Härte der Gegenwart erlaubt uns nicht, einer in so vielen Jahren geliebten schönen Silhouette eines Schlosses, eines Turmes nachzutrauern. Und doch geht mit jedem Schritt unsere schmerzvolle Liebe zu der untergegangenen Schönheit mit durch Bonn.“ Und weiter heißt es, ganz im Stil der Durchhaltepropaganda: „Es gibt unermeßliche Dunkelheiten in unserer zerstörten Stadt, aber es gibt darin das gütige Lächeln tapferer Frauen, es gibt das herzhafte Wort furchtloser Männer, es gibt aus der Tiefe des Lebensglaubens das unbesiegbare Dennoch des Geistes.“

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14. Februar

„Deutsche Panzergrenadiere zwischen Niederrhein und Maas im Gegenangriff“ titeln die Zeitungen an diesem Tage. Zwischen zahlreichen Meldungen über Misserfolge der alliierten Kräfte und Durchhalteparolen für die eigenen Truppen finden sich empfohlene Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Disziplin, darunter unter anderem ein Rezept zur Dauerverwendung von Rasierklingen, die Mangelware sind – und das durchaus mit zeitgemäßen Anspielungen: „Es wendet sich an auch an all jene, die so gern ihre empfindliche Haut ins Feld führen.“

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15. Februar

Weiterhin werden in Presse und Rundfunk vermeintliche militärische Erfolge wie Siegesmeldungen gefeiert. Vom Untergang Dresdens durch Bomben der Alliierten hingegen: kein Wort; von deutschen Kriegsverbrechen ohnehin nicht. Dafür eine Meldung, dass der schiefe Turm von Pisa unter alliiertem Artilleriefeuer zerstört worden sei. Und kaum etwas, das vor der Propaganda sicher, wie ein Porträt in den „Bonner Nachrichten“ dokumentiert: „Alles hing am seidenen Faden… Wie Major Molinari aus Bonn das Ritterkreuz erwarb“ titelt die Geschichte auf der Rückseite des Tagesblatts. „Er stammt aus Bonn am Rhein, wo er am 7. Februar 1915 als Sohn des Generaldirektors Molinari geboren wurde […]. Er rollte als Panzermann durch Polen und Frankreich, zog mit den ersten Kampfwagen in Athen ein, bildete zwischendurch auf der Schule für schnelle Truppen Offiziere aus und schlug sich auch im Ostfeldzug kreuz und quer durch Sumpf und Steppe. Und ist trotzdem der Alte geblieben, ein Kind der Rheinischen Landschaft, sonnig und heiter und niemals verzagt. Wenn es aber rangeht, so sagen seine Leute, steckt der wahre Teufel in der schwarzen Jacke.“

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16. Februar

Nach den letzten schweren Bombardierungen zu Beginn des Jahres hat sich die Kriegslage im zerstörten Bonn halbwegs beruhigt – was vereinzelte Tieffliegerangriffe nicht ausschließt, wie Zeitzeugen berichten. Dramatisch ist Mitte Februar hingegen die Situation 150 Kilometer rheinabwärts: Bei den Angriffen auf Wesel am 16.Februar wird die mittelalterliche Kleinstadt am Niederrhein zu 98 Prozent zerstört. Nach den großen Verlusten von Arnheim wollen die Alliierten diesmal auf Nummer Sicher gehen, denn die Brücke ist ein wichtiger strategischer Punkt für die Überquerung des Rheines. Das Bild der Innenstadt als Kraterlandschaft geht durch die Weltpresse. „Overbombed“ nennen die Stadt selbst die britischen und amerikanischen Infanteristen, die später die Stadt zu Fuß erobern.

Aus Bonn wird derweil eher Nachrangiges gemeldet: „Aus einem Lebensmittelgeschäft am Bonner Talweg wurden durch Einbruchdiebstahl 38 kg Butter aus einem Faß und etwa 15 kg Margarine in Pfundpaketen gestohlen“, heißt es in der Zeitung.

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17. Februar

„Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben…“, so hatte Adolf Hitler in seiner „Reichenberger Rede“ 1938 die komplette Vereinnahmung der Jugend für den Nationalsozialismus umschrieben. Wie sehr sich auch die Erwachsenenwelt von der Diktatur durchdringen ließ, zeigt sich bis in die Winkel des Alltags.

Zwei Beispiele aus der Bonner Gastronomie der 1940er Jahre, bei denen das Bekenntnis zum NS-System als Werbeträger genutzt wird. Das Hotel Ewige Lampe war ein typisches Bonner Lokal, direkt am Markt, links neben dem Sternhotel. Das Foto war zugleich eine Werbekarte des Hotels. Auf der Rückseite befindet sich ein Stempel mit der Aufschrift: „Hier verkehrt der Nationalsozialist…“

Ähnlich das Bild im Café Schöpfwinkel in der Bonngasse. Am Oktober 1944 fanden sich auch die beiden Lokale in der Innenstadt im Zentrum des schweren Luftangriffs wieder, der die Bonner Innenstadt in weiten Teilen zerstörte.

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18. Februar

In der Eifel bei Echternach brechen Truppen der 3. US-Armee durch den Westwall, die schlesische Hauptstadt Breslau ist von der Roten Armee eingekesselt, an der französischen Atlantikküste kämpfen versprengte Wehrmachtseinheiten weiter, obwohl Frankreich längst befreit ist. Und in Berlin verleiht Adolf Hitler das Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern an Offiziere seiner SS-Leibstandarte.

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19. Februar

Weiter wird an der Rur, in der Schneifel und am Niederrhein gekämpft. Schottische Truppen nehmen Goch ein. Auch in Bonn ist die Lage allen klar. Die damals zwölfjährige Uschi Keusen schreibt in ihr Tagebuch: „Nun kommt die Front ganz langsam näher. Wir haben schon Pläne geschmiedet, nicht zu flüchten, sondern in den Wald zu gehen. Dann schreibe ich in mein Tagebuch mit Bleistift, denn dieses Buch nehme ich auf alle Fälle mit.“

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20. Februar

Auch über Bonn werfen die Alliierten Flugblätter ab, auf denen sie die Zivilbevölkerung zum Widerstand aufrufen.

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21. Februar

Die 3. US-Armee greift im Saar-Mosel-Dreieck an der deutsch-luxemburgischen Grenze an. Der Wormser Dom wird bei einem Bombenangriff schwer zerstört. Der Reichsjustizminister hat Standgerichte eingesetzt. In seiner Verordnung heißt es: „Die Standgerichte sind für alle Straftaten zuständig, durch die die deutsche Kampfkraft oder Kampfentschlossenheit gefährdet sind. (…) Das Urteil des Standgerichts lautet auf Todesstrafe, Freisprechung oder Überweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit.“

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22. Februar

Mit der „Operation Clarion“ holen die anglo-amerikanischen Luftstreitkräfte zum größten und weiträumigsten Luftangriff des Zweiten Weltkriegs aus. In 48 Stunden werden rund 200 Orte in Deutschland bombardiert, mehrere tausend Menschen sterben. Allein über Pforzheim werden Bomben mit einem Gesamtgewicht von 1575 Tonnen ausgeklinkt. Die Türkei und Uruguay erklären Deutschland den Krieg.

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23. Februar

In der Schneifel und am Niederrhein bei Kleve wird weiter heftig gekämpft. An der Rur treten die Amerikaner zum Großangriff an, um auch in Höhe Köln/Bonn zum Rhein vorstoßen zu können. Die damals zwölfjährige Uschi Keusen aus Mehlem notiert in ihrem Tagebuch: „In der Nacht haben wir auch keine Ruhe. Ständig knattern die Tiefflieger mit Maschinengewehren über uns. Wenn es dann so ‚Tack-Tack-Tack‘ geht, fällt die Gertrud regelmäßig die Treppe herunter: ‚Haste dat auch gehört?‘ Gestern Abend ging es so mehr oder weniger als Gerücht herum, ‚sind die Amerikaner 20 Kilometer bis vor Köln gekommen, aber sie sind wieder zurückgeschlagen worden.‘ (…) Jetzt schanzen wir im Garten und graben einen Splitter-Schutzgraben, denn die Tiefflieger kommen so plötzlich, daß man aus dem Garten kaum noch bis in den Keller kommen kann“.

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24. Februar

Flüchtlingstrecks, zerstörte Städte, Kinderlandverschickung – Krieg bedeutet Chaos. „Meine Frau war mit vier Kindern im Warthegau, ich habe keine Nachricht mehr. Können Sie mir sagen, wo meine Familie sich jetzt befindet?“ Mit derlei Anfragen beschäftigt sich auch in Bonn die „Auskunftsstelle für Rückgeführte und Umquartierte“. Die Bonner „Kreisfrauenschaft“ ruft ihre Mitglieder zum „Flicken und Stopfen für Volkssturm und Wehrmacht“ auf.

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25. Februar

In Bonn stehen Teile des öffentlichen Lebens seit dem schweren Bombenangriff vom 18. Oktober 1944 weitgehend still. Für die Kinder und Jugendlichen bedeutet das: Zwangsferien. Anders als in den meisten Orten des Umlandes sind die Schulen auf Bonner Stadtgebiet seitdem geschlossen.

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26. Februar

Nordwestlich von Köln läuft die Operation Grenade der US-Army. Truppen der 102. US-Infanteriedivision nehmen nach dem Übergang über die Rur am 26.Februar die Kleinstadt Erkelenz ein. Bis sie auch das zehn Kilometer weiter östlich liegenden Mönchengladbach erreichen, dauert es weitere drei Tage. Aachen hingegen, gerade einmal 35 Kilometer entfernt, ist bereits seit dem 21. Oktober in alliierter Hand.

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27. Februar

„Keine Macht der Welt wird uns im Herzen schwach machen!“ Auf der Titelseite der „Bonner Nachrichten“ ist man sich seiner Sache sicher, auch wenn die Amerikaner nach verbissenen und wochenlangen Kämpfen gerade die Höhenzüge der Schneifel und die östlich liegenden Ortschaften einnehmen und der Stadt am Rhein somit wieder ein Stück näher rücken. Doch wie viele Bonner mögen den Durchhalteparolen tatsächlich noch Glauben schenken? Die Medien jedenfalls sind unbeirrt: Der Führer selbst, so die Tageszeitung, gab in einem Telegramm seine Überzeugung zum Ausdruck, dass der harte Abwehrkampf „mit dem Endsieg gekrönt“ werde.

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28. Februar

Die letzten Tage Bonns unter deutscher Herrschaft sind angebrochen. In weniger als zehn Tagen wird die Stadt Bonn durch den Rechtsrat Dr. Max Horster an die US-amerikanischen Truppen übergeben werden. Noch aber ist es nicht so weit. In der Schlacht an der Rur kann die 9. Amerikanische Armee mit ihren schweren Panzern vom Typ Pershing die deutschen Verbände zurückdrängen. In der Presse wird die Bevölkerung vor der anstehenden Besatzung unter der Rubrik „Aus dem feindbesetzten Gebiet“ vor der US-Herrschaft mit Schlagzeilen wie diesen gewarnt: „Juden unter besonderem Schutz“, „Schandurteile der Militärgerichte“, „Seit Monaten kein Brot“. Und Propagandaminister Joseph Goebbels, dessen Heimatstadt Rheydt soeben von amerikanischen Truppen genommen wurde, verkündet über den Volksempfänger, man werde „den Sturm der Mongolen gegen das europäische Kernland brechen“.

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1.  März

Die Alliierten nähern sich Köln nun auf Sichtweite. Am 1. März schlägt die 1. US-Armee nahe dem Dorf Mödrath – später entsteht hier das Autobahnkreuz Kerpen – und nördlich davon mehrere Brückenköpfe über die Erft und steht somit zehn Kilometer vor der Domstadt. Mönchengladbach wird von den Amerikanern erobert.
In Heimerzheim schreibt Ortspfarrer Theodor Giesen angesichts der näherrückenden Front in die Pfarrchronik: „Die Dorfbewohner werden nervös, ein Teil packt das notwendigste Hab und Gut auf Wagen und Wägelchen. Es sind die alten Parteigenossen. Sie wollen ihr Heil jenseits des Rheines suchen. Die Zurückgebliebenen beginnen in Kellern und Erdlöchern sich einzurichten. Der Zustrom von Flüchtlingen dauert dabei an. Gegen Abend verbreitet sich eine unheimliche Ruhe über das Dorf. Soldaten und Flüchtlinge sind größtenteils verschwunden. Eine Verbindung mit der Außenwelt gibt es nicht mehr, da der Rundfunk, die letzte Nachrichtenquelle ausgefallen ist.“

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2. März

Erneut fliegt die Royal Airforce (RAF) schwere Angriffe auf das zerstörte Köln. Nordwestlich nimmt die 9.US-Armee die Städte Venlo, Viersen, Brüggen, Roermond, Anrath bei Willich, Kaldenkirchen und Krefeld ein. Bei Bonn verstärken die Alliierten den Beschuss der rechten Rheinseite. Viele Königswinterer suchen Schutz in den Ofenkaulen im Siebengebirge.

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3. März

Bei Geldern treffen sich amerikanische und britisch-kanadische Truppen. Heftige Kämpfe werden weiter aus Wesel gemeldet, wo deutsche Truppen versuchen, Einheiten der 1.Fallschirmarmee den Rückzug über den Rhein zu ermöglichen.
Dass sich der Krieg auch in Bonn dem Finale nähert, spürt auch die damals zwölfjährige Uschi Keusen aus Mehlem. Am 3. März notiert sie in ihrem Tagebuch: „Gestern Nachmittag bekamen wir wieder einen großen Schreck. Es fiel um 4 Uhr eine Bombe in den Drachensteinpark, wo die Mami im Splittergraben lag. Die Bombe schlug 100 Meter von der Mami ein. Wir saßen mit Hahns im Keller, hörten Scheiben klirren und sahen dann die Bescherung. In Waschküche, Vorplatz, Küche, Diele und Eßzimmer sind viele Scheiben kaputt. Im ganzen Treppenhaus hat es die Fenster aufgerissen; das Klavier war um 30 Meter verschoben, bei Familie Fitzke hängt der riesige Rolladen heraus. (…) Aber das ist alles nicht so schlimm. Wir kümmern uns nicht mehr viel darum.“ Und auch am 3. März selbst sind die Bomber wieder über der Stadt: Bei einem Angriff wird im Hafen von Oberwinter der Rheindampfer „Goethe“ versenkt.

In Heimerzheim nähert sich gegen 10.55 Uhr von Westen ein amerikanischer Bomberverband mit 36 Flugzeugen. Als diese ihre 218 Stück 500-Pfund-Bomben ausklinken, liegt ein Drittel des Dorfes eine Minute später in Schutt und Asche, 180 der knapp 1200 Einwohner sind tot.

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4. März

Nördlich von Köln erreichen amerikanische Einheiten den Rhein. Ein Bombenteppich zerstört große Teile der Stadt Brühl, darunter mit einem Volltreffer den Westflügel des kurfürstlichen Schlosses. Bonn ist zur Festung erklärt. Zivilisten müssen Panzersperren errichten, während die Amerikaner Rheinbach einnehmen.

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5. März

Die ersten amerikanischen Truppen rücken in Köln ein, nun stehen sich in der Domstadt deutsche und alliierte Truppen beiderseits des Rheins gegenüber. Buchstäblich auf den letzten Metern des Krieges wird Meckenheim von Flugzeugen und Artillerie ausradiert. Binnen Minuten legen 500 Bomber in Trümmer, was über Jahrhunderte entstanden war, mehrere hundert Menschen sterben.

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6. März

30 Kilometer vor der Bonner Stadtgrenze wird Mechernich ohne Gegenwehr übergeben. Immer mehr Wehrmachtseinheiten ziehen sich über den Fluss ans östliche Ufer zurück. Bonn ist zur Festung erklärt, Zivilisten errichten Panzersperren auf den Hauptstraßen. Rheinbach ist seit einem Tag in amerikanischer Hand, Meckenheim in buchstäblich letzter Minute schwer zerstört. Gleichzeitig feuert die Wehrmacht über den Rhein zurück. Bei einem Bombenangriff auf Siegburg sterben 100 Menschen, die Abteikirche wird schwer zerstört. Für die Kölner auf dem linken Rheinufer ist der Krieg derweil vorbei. Am 6. März erreichen Einheiten der 1. US-Armee die Stadt.

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7. März

„Heftige Kämpfe südlich von Köln“ meldet der Rundfunk am 7. März. Bekanntlich ist es die Brücke zwischen Remagen und Erpel, die mit der Eroberung der Amerikaner an diesem Tag zu Weltruhm gelangt. Deutsche Stukas versuchen vergeblich, den Rheinübergang der US-Truppen zu verhindern. Ihr Plan, den Strom unbedingt als Frontlinie zu halten, ist zunichte gemacht. „Köln ist gefallen!“, schreibt die zwölfjährige Mehlemerin Uschi Keusen in ihr Tagebuch. Und weiter: „Sie stehen 10 Kilometer vor Bonn. Wir warten auf die Amerikaner“. Über Mehlem schießt die amerikanische Artillerie auf die andere Rheinseite. Im Schloss Drachenburg „verteidigen“ 14-Jährige Jungen der dort untergebrachten „Adolf-Hitler-Schule“ das Deutsche Reich. Immer mehr Königswinterer suchen in den Ofenkaulen Schutz vor den Granaten.

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8. März

Telefonisch fordern die Amerikaner Bad Godesberg zur Übergabe auf – und das funktioniert: Die Geschäfte bleiben an jenem Tag durchgehend geöffnet, auch dank der Vermittlungen des schweizerischen Generalkonsuls Franz-Rudolf von Weiss. Filmaufnahmen zeigen, wie sich amerikanische Offiziere im Rheinhotel Dreesen umsehen, das als Lieblingshotel Hitlers und spätestens seit den Verhandlungen mit dem englischen Premierminister Neville Chamberlain weltbekannt ist.

In Mehlem erlebt die zwölfjährige Uschi Keusen angstvolle Stunden. Aus Sorge vor einer Sprengung an der nahen Eisenbahnstrecke hat sie sich mit ihrer Mutter in einem Graben in Sicherheit gebracht. In ihr Tagebusch schreibt sie: „Wir saßen im Graben, hörten das MG- und Artilleriefeuer und aßen Plätzchen. Wir hatten vor lauter Angst gar keinen Hunger, denn wir warteten nur darauf, daß die Deutschen schießen würden. In der Nacht schliefen wir im Keller. Da waren die Amerikaner schon in Godesberg. Der 8.März brach an. Die Soldaten aus unseren Gärten standen alle zusammen an einer Kanone, zwei Häuser neben uns. Wir waren im Haus, als es plötzlich einen schrecklichen Knall gab: Die Kanone war gesprengt. Vier Kroaten kamen in unseren Keller. Sie waren von der kaputten Kanone. Wir hängten die weiße Fahne hinaus. Und schließlich kamen die Amerikaner. Unsere vier Kroaten ergaben sich. Und dieser Tag war der 8.März!“

Im nahen Bonn löst Polizeimeister Stürz am Abend des 8. März Großalarm aus und meldet an den deutschen Führungsstab im Windeckbunker: „Der Markthallenbunker ist von Amerikanern besetzt!“ Das ist das Signal. Kampfkommandant Richard von Bothmer weiß: „Mit unausgebildeten Soldaten kann ich keine Festung verteidigen.“ Er will kapitulieren. Die US-Soldaten nehmen den Windeckbunker unter schweren Artilleriebeschuss. Generaloberst Georg von Küchler stimmt zu: „Nicht verteidigen!“ Es wäre Wahnsinn, das Leben von 6000 Frauen, Kindern und alten Männern aufs Spiel zu setzen, die im Bunker kauern.

Von Küchler flüchtet als einer der letzten Wehrmachts-Führungskräfte über die Rheinbrücke nach Beuel. Wenige Stunden später, um 20.20 Uhr, sprengen deutsche Soldaten die schmuckvoll verzierte Bonner Rheinbrücke in die Luft – 47 Jahre nach ihrem Bau. Der Rhein ist wieder zur natürlichen Grenze geworden – und in Bonn zur Front.

Für die Amerikaner steht fest: „Damit gaben die Deutschen zu, daß die Stadt unwiderruflich verloren war“, steht später in ihrem Bericht. Kurz vor Mitternacht verlässt von Bothmer die Stadt. Seine letzte Anweisung: „Retten, was zu retten ist!“ Er weigert sich, den Kampf um Bonn „bis zur letzten Patrone“ zu führen und verhindert damit weitere Opfer und Zerstörungen der Stadt.

Dramatische Szenen werden von der Fähre zwischen Rolandseck und Bad Honnef gemeldet, deren letztes Schiff zahleiche deutsche Soldaten am linken Rheinufer zurücklassen muss. Für sie ist der Krieg vorbei, der Endkampf im Ruhrgebiet oder in Berlin bleibt ihnen erspart. Viele jedoch gelangen in amerikanischer Gefangenschaft in die berüchtigten Rheinwiesenlager.

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9. März

Am Tag nach der Einnahme Bonns kontrollieren die amerikanischen Truppen wesentliche, aber noch nicht alle Teile der Stadt. Während am Friedensplatz GIs vor erbeuteten Panzerfäusten für Erinnerungsfotos posieren, halten sich in den äußeren Stadtteilen und umliegenden Orten versprengte Wehrmachtseinheiten. Gefahr für die Zivilbevölkerung droht nun auch hier vor allem durch deutsche Artillerie, die die Amerikaner von der Beueler Seite aus bekämpft. Über den 9. März in Graurheindorf etwa berichtet einige Jahre später der Lehrer und Heimatkundler Kurt Hoch in einer Festschrift: „Als am Morgen des 9. März die Amerikaner Rheindorf besetzten, wurden etwa 200 in den Häusern verborgene deutsche Soldaten gefangengenommen. Da der Kampf am Rhein zum Stehen kam, erhielt unser Dorf jetzt von den deutschen Truppen auf dem anderen Rheinufer Feuer. Die Bewohner waren genötigt, ihren Aufenthalt in den Kellern zu nehmen, der Straßenverkehr ruhte fast völlig. Trotz vieler Geschosse, die niedergingen, wurde nur ein Rheindorfer getötet. Erst nachdem die deutschen Truppen das rechte Rheinufer geräumt hatten, konnte die Bevölkerung ihre Keller verlassen.“

Das aber dauert. Vom Brückenkopf in Erpel kommend, wo sich bereits 45.000 amerikanische Soldaten befinden, rücken die Amerikaner bis zum Abend dieses Tages nach Bad Honnef vor.

 

Erinnerungen von Rechtsanwalt Dr. Ludwig Klassen

Am Morgen wurde ich Zeuge, als die Amerikaner von der linken Rheinseite aus zunächst die Insel Nonnenwerth und später das Gebiet um Honnef unter Beschuss nahmen. Da mein Vater, Dr. med. Peter Klassen, als leitender Chefarzt der Inneren Abteilungen des St. Petrus Krankenhauses und des St. Elisabeth Krankenhauses nach dem schweren Bombenangriff auf Bonn am 18.Oktober 1944 in Bonn bleiben musste, hatte er für unsere Familie wie für die Eltern meiner Mutter eine Unterkunft in der Villa Kehr im Rolandswerth besorgen können. Nachdem die Amerikaner am Vortrag den Ort Rolandswerth eingenommen hatten, erschienen am Vormittag des 9.März mehrere US-Soldaten und schlugen mit ihren Gewehrkolben heftig an unsere Haustür und forderten Einlass, da sie eine Beobachtungsstation in unserem Wohnzimmer einrichten wollten, um den Granatenbeschuss auf die rechte Rheinseite, die noch von deutschen Soldaten besetzt war, zu kontrollieren. Mein Vater stellte dann fest, dass der Beobachtungsoffizier Informationen weitergab bezüglich der Ziele, die beschossen werden sollten. Die ersten Geschosse waren auf die Insel Nonnenwerth gerichtet. In dieses Gebäude war ein Kinderkrankenhaus aus Köln verlegt worden. Mein Vater sprach den amerikanischen Offizier an und sagte: „Das können Sie doch nicht bombardieren, das ist ein Kinderkrankenhaus“, und verwies auf das deutlich wahrnehmbare Rote Kreuz auf dem Dach des Hauses. Tatsächlich wurde daraufhin der Beschuss des Krankenhauses eingestellt. Kurz danach stellte mein Vater fest, dass offensichtlich das Fährboot von Rolandseck auf die Insel unter Beschuss genommen wurde. Wiederum intervenierte mein Vater und sagte sinngemäß, das sei die einzige Verbindung, um das Krankenhaus mit Lebensmitteln zu versorgen. Wiederum stellten die Amerikaner den Beschuss des Bootes ein. Eine Weile später stellte mein Vater fest, dass Ziel des Beschusses offensichtlich das Haus des früheren Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer – des späteren Bundeskanzlers – war. Die ersten Granaten waren schon auf das Haus abgefeuert, als mein Vater wiederum intervenierte. Er schilderte dem amerikanischen Beobachtungsoffizier, dass es sich um das Wohnhaus des früheren Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer handele. Mein Vater erzählte ihm die Lebensgeschichte von Adenauer, vor allem von seiner Verfolgung durch die Nazis nach 1933, wie auch von seiner Verhaftung anlässlich des Attentats vom 20. Juli 1944. Offensichtlich war dieses Gespräch Anlass für die Amerikaner, das Haus von Konrad Adenauer nicht mehr zu beschießen. Zehn Jahre später, und zwar mit Schreiben vom 8. März 1955, schrieb mein Vater an den nunmehrigen Bundeskanzler Adenauer und berichtete ihm von seinem Gespräch mit dem Beobachtungsoffizier und dass offensichtlich danach der Beschuss auf sein Haus eingestellt worden sei. Auf diesen Brief antwortete Adenauer sogleich mit seinem Brief vom 16. März 1955, in dem er ausführte, dass der Brief für ihn „sehr interessant“ gewesen sei. Er führt dann weiter aus, dass in jenen Tagen „insgesamt 12 Granaten auf sein Grundstück niedergegangen seien. Zwei Granaten hätten das Dach des Hauses, ein weiterer Schuss die Garage in Trümmer gelegt. Auf ihn selbst seien drei Granaten abgefeuert worden, von denen er die eine sah, als sie noch etwa 200 bis 300 Meter entfernt war. Ob die Amerikaner den Beschuss auf das Haus Adenauer aufgrund der Intervention meines Vaters eingestellt haben, lässt sich verständlicherweise im Nachhinein nicht mehr feststellen. Ein entsprechender Zusammenhang kann aber sicherlich nicht ausgeschlossen werden. Der Briefwechsel zwischen Adenauer und meinem Vater ist in der ‚Adenauer Rhöndorfer Ausgabe: Briefe 1953-1955, S. 255 und S. 535‘ veröffentlicht. Ich habe mir in den zurückliegenden Jahren wiederholt die Frage gestellt: Was wäre aus dem Nachkriegsdeutschland geworden, wenn Adenauer die Geschicke unseres Landes nicht mehr hätte in die Hand nehmen können?

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10. März

Seit zwei Tagen bildet der Rhein in Bonn die Front, Deutsche und Amerikaner befeuern einander über den Fluss. Für die Zivilisten haben die Amerikaner eine Ausgangszeit von 9 bis 12 Uhr festgelegt. Am rechten Rheinufer kämpfen sich die amerikanischen Einheiten von Süden durch Bad Honnef und stoßen an mehreren Stellen auf heftigen Widerstand. Gegenüber Mehlem, in Rhöndorf, prasseln amerikanische Granaten auf den Ortskern ein. Die 1905 errichtete Pfarrkirche Sankt Marien wird binnen weniger Stunden zu einem Trümmerhaufen. Wenige hundert Meter entfernt sucht die Familie Adenauer Zuflucht im Weinkeller hinterm Haus und wartet auf die Befreiung durch die Amerikaner. Unterdessen sieht der Führer des örtlichen Volkssturms, Peter Profittlich, die Nutzlosigkeit eines Einsatzes ein, schickt seine Männer nach Hause und versenkt die Sprengkörper, mit denen Rhöndorfs Eisenbahnbrücken am Steinchen und an der Karl-Broel-Straße in die Luft gesprengt werden sollten, im Rhein. Noch Jahre später ranken sich die Berichte aus Rhöndorf um ein Mehllager im Weingut Domley, das den Bäckern die Arbeit ermöglichte, und um die langen Schlangen vor dem Ziepchesbrunnen, der den Leuten das kostbare Wasser lieferte.

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11. März

Während sich in Bonn die Amerikaner einrichten, hält in Sichtweite die deutsche Brückenkommandantur die Stellung: Sie hat sich jenseits der gesprengten Rheinbrücke am Beueler Konrad-Adenauer-Platz einquartiert. Gleichzeitig wird in den Wäldern oberhalb von Bad Honnef erbittert gekämpft. Eine klare Frontlinie gibt es nicht, dafür viele MG-Stellungen der Deutschen. Am 11. März kontrollieren die US-Truppen den Leyberg, zwei Tage benötigen sie für den Vorstoß zum nahen Himmerich. Wie langwierig die Kämpfe sind, zeigt der langsame Vormarsch: In Hohenhonnef, der damaligen Heilstätte Rheinland, dauert es noch Tage, bis Amerikaner am 13. März vor dem Haus stehen. Dabei hatte die Heilstätte bereits am 9. März mit ihnen telefoniert: Von Hohenhonnef hatte man in Rheinbreitbach das Haus Elisabeth angerufen und am anderen Ende des Drahtes meldete sich ein Amerikaner. Und Uschi Keusen, die zwölfjährige Zeitzeugin aus Mehlem, hält in ihrem Tagebuch fest: „Heute nacht haben wir hier im Keller geschlafen. Davon tun mir noch alle Knochen weh. Die Amerikaner sind immer noch nicht über den Rhein und deswegen dürfen wir auch noch nicht nach Hause. Aber unser Häuschen ist noch ganz. Ständig schießt uns die Artillerie über die Köpfe. Wir haben jetzt die Besetzung überstanden, hoffentlich überstehen wir den Beschuß genau so gut! Daß heute Sonntag ist, davon merkt man so gut wie gar nichts. Es ist heute auch kein Gottesdienst.“

Auf der gegenüberliegenden Rheinseite macht Konrad Adenauer an jenem Sonntag ganz ähnliche Beobachtungen. Ihm pfeifen am Hang oberhalb der zerstörten Rhöndorfer Pfarrkirche die Granaten „um die Ohren“, als er von seinem Garten auf die andere Rheinseite schaut. Splitter davon hob er sein Leben lang in einer Schachtel auf.
Ein furchtbares Unglück ereilt sich in Adenauers Nähe. Familie Küster wohnt in dem Eckhaus an der Löwenburgstraße, an dem vorbei das Gässchen zum Zennigsweg führt. Ein Trupp Hitlerjungen kommt von Schloss Drachenburg herab, wo sich noch immer die NS-Elite-Schule befindet, während in der Honnefer Innenstadt die Amerikaner stehen. Beim Café Profittlich erkundigen sich die Jugendlichen nach dem Weg zu einem Gefechtsstand, der am Frankenweg zur Verteidigung eingerichtet wurde. Im Hof der Familie Küster hängt ein weißes Tuch. Am Morgen, so wird später berichtet, haben Peter Küster, seine Frau und seine drei Töchter durchziehenden deutschen Soldaten noch Kaffee gekocht. Nun herrscht der Anführer des Trupps Peter Küster an: „Wem gehört das Tuch?“ Und schon schießt er. Tochter Katharina sieht ihren Vater zusammenbrechen. Sie ruft dem Schützen zu: „Drei Söhne dieses Mannes stehen im Feld.“ Zynisch habe der Anführer geantwortet, dann käme es ja auf einen mehr oder weniger nicht an. Der schwerverletzte Familienvater stirbt am nächsten Tag in einem Lazarett in Rhöndorf.

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12. März

Vom Rheinhotel Dreesen aus setzt der schweizerische Generalkonsul Franz-Rudolph von Weiss in einem Ruderboot mit Schweizer Flagge über den Rhein, um zwischen USA und Deutschen zu verhandeln. Sein Ziel: Königswinter und Honnef als Lazarettstädte vor weiterem Beschuss zu verschonen. Die Amerikaner wollen das Gebiet zur neutralen Zone erklären, die Deutschen plädieren für eine ganztägige Waffenruhe, um Verwundete und Kranke aus den Lazaretten über Ittenbach ins Hinterland der Front bringen zu können. Umgesetzt wird wegen des schnellen Vormarschs der Amerikaner letztlich keine der beiden Varianten.

Später erinnert sich Franz-Rudolph von Weiss: „Beim Rheinhotel Dreesen fand ich in dem fraglichen Bootshaus zwei kleine Paddelboote, die mir für meinen Zweck geeignet schienen. Für alle Fälle wollte ich meinen Mitarbeiter, Herrn Herger, mitnehmen, falls irgendwelche Aufzeichnungen gemacht werden müßten. Wir stiegen jeder in eines dieser kleinen Boote, die von je einem zufällig anwesenden holländischen Matrosen gepaddelt wurden. Offen gesagt kam mir das ganze Unternehmen mit einem solch kleinen Fahrzeug, das bei der gewaltigen Strömung des Rheins jeden Augenblick hätte umkippen können, nicht ganz geheuer vor. Da meine mir übertragene Aufgabe mir jedoch eilig schien, zögerte ich nicht, mit Herrn Herger zusammen diese Fahrzeuge zu benutzen. Da von der rechten Rheinseite von den dort stehenden deutschen Soldaten auf jede Bewegung am linken Rheinufer geschossen wurde, war es nicht einfach, diese auf unsere friedliche Absicht aufmerksam zu machen.“

In den Wäldern des Siebengebirges weiterhin schwere Kämpfe. In Godesberg nimmt die Militärverwaltung die Arbeit auf. Personen mit ansteckenden Krankheiten werden in zentralen Gebäuden isoliert.

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13. März

Sonderferien für die Bonner Kinder: Mit dem Einmarsch der Amerikaner haben auch in den Orten am Stadtrand die Schulen den Betrieb eingestellt. In der Innenstadt gibt es bereits seit dem Bombenangriff vom 18. Oktober 1944 keinen Unterricht mehr. Die Ernährung der Bonner scheint vorerst gesichert, nachdem ein Verpflegungslager der Wehrmacht weitgehend in städtische Obhut genommen werden konnte. Im Stadthaus am Bottlerplatz hat nun die Militärregierung das Sagen. Eine ihrer ersten Verordnungen ist eine Ausgangssperre für Zivilisten von 21 bis 6 Uhr. Ansammlungen von mehr als fünf Personen sind nicht erlaubt. Viele Bonner Privathäuser werden als Unterkunft der Besatzer requiriert. Am rechten Rheinufer ist die Front unterhalb des Drachenfelses zum Stehen gekommen. Königswinter ist unter deutscher, Bad Honnef unter amerikanischer Kontrolle. Unterbrochen von deutschen Gegenangriffen versuchen die US-Truppen, sich auf den Rheinhöhen weiter vorwärts zu kämpfen und schaffen es an diesem Tag bis Hohenhonnef. 

Im Ansatz scheitern geplante Truppenverschiebungen der Deutschen vom Ruhrgebiet in Richtung Brücke von Remagen, um die Amerikaner am weiteren Vorrücken zu hindern: Zerstörte Eisenbahnschienen stehen größeren Transporten inzwischen irreparabel im Weg.

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14. März

In Königswinter wird die Lage für die Zivilbevölkerung immer dramatischer. Das Problem sind nicht die Kampfhandlungen in den Wäldern südlich der Löwenburg. Seit Tagen wird die vom Bombenkrieg ohnehin stark zerstörte Stadt von Godesberg und Mehlem aus mit Artillerie beschossen. Die Menschen, soweit sie noch in der Stadt sind, kommen nicht mehr aus den Kellern heraus. Auch denen, die aus der Stadt in die Ofenkaulen geflüchtet sind, geht es nicht viel besser. Unter katastrophalen hygienischen Bedingungen vegetieren inzwischen mehr als 2000 Menschen in dem verschachtelten Stollensystem, in dem bis vor kurzem Einspritzpumpen für Flugzeugmotoren gefertigt wurden. Auch in anderen Tunneln und Stollen harren hunderte Zivilisten aus: Am Limperichsberg, im Lauterbachtal bei Oelinghoven oder unter der Autobahn. Dorthin verlagern sich nun die Kämpfe.

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16. März

„Zusammenbruch!“, heißt es auf amerikanischen Flugblättern, die über den unbesetzten rechtsrheinischen Gebieten abgeworfen werden. Und weiter: „Starke alliierte Verbände haben den Rhein überschritten. Die letzte natürliche Verteidigungslinie im Westen ist verloren. Der Krieg steht unmittelbar vor dem Ende. Die alliierte Übermacht ist gewaltiger als je zuvor. Widerstand bedeutet keinen ehrlichen Kampf mehr sondern ein Gemetzel, das allen Sinn verloren hat. Schluss machen!“. Im Siebengebirge geht dieses Gemetzel bis zum 16. März weiter. Verbissen kämpfen Deutsche und Amerikaner um Kirche und Marktplatz von Aegidienberg, bevor die US-Truppen an diesem Tag bei Brüngsberg die Autobahn erreichen. Damit kontrollieren die Alliierten erstmals weite Teile des Siebengebirges. In Rhöndorf kommt es zur ersten Begegnung zwischen dem späteren ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer und Vertretern der amerikanischen Militärregierung: Lieutenant Colonel Tuhus und Captain Emerson klopften am Zennigsweg an seine Tür.

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15. März

Von Rolandseck nach Honnef haben sie eine Pontonbrücke errichtet, die zum Schutz vor deutscher Artillerie ständig künstlich vernebelt wird. Mit dem Drachenfels und dem Großen Oelberg verlieren die Deutschen die letzte Einblickmöglichkeit auf den Rhein. Und auch Vettelschoß, Himberg und Rottbitze gehen an die Amerikaner, während um Aegidienberg erbittert gekämpft wird. Am Abend stehen die Amerikaner mit ihren Sherman-Panzern am Ortseingang von Ittenbach. Um das Schlimmste für den Ort zu verhindern, nimmt Ittenbachs Pfarrer Heinrich Hambüchen Kontakt zu den Befehlshabern auf beiden Seiten auf. Hambüchen erreicht offenkundig, dass sich die Deutschen aus Ittenbach zunächst an die Autobahn zurückziehen. Über den Kantering sei der Pastor später mit einem weißen Tuch in der Hand den „Amis“ entgegen gegangen, so berichten Zeitzeugen später.

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16. März

„Zusammenbruch!“, heißt es auf amerikanischen Flugblättern, die über den unbesetzten rechtsrheinischen Gebieten abgeworfen werden. Und weiter: „Starke alliierte Verbände haben den Rhein überschritten. Die letzte natürliche Verteidigungslinie im Westen ist verloren. Der Krieg steht unmittelbar vor dem Ende. Die alliierte Übermacht ist gewaltiger als je zuvor. Widerstand bedeutet keinen ehrlichen Kampf mehr sondern ein Gemetzel, das allen Sinn verloren hat. Schluss machen!“. Im Siebengebirge geht dieses Gemetzel bis zum 16. März weiter. Verbissen kämpfen Deutsche und Amerikaner um Kirche und Marktplatz von Aegidienberg, bevor die US-Truppen an diesem Tag bei Brüngsberg die Autobahn erreichen. Damit kontrollieren die Alliierten erstmals weite Teile des Siebengebirges. In Rhöndorf kommt es zur ersten Begegnung zwischen dem späteren ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer und Vertretern der amerikanischen Militärregierung: Lieutenant Colonel Tuhus und Captain Emerson klopften am Zennigsweg an seine Tür.

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17. März

Die Amerikaner sind vorsichtig: Für die Bonner Zivilbevölkerung gilt eine Ausgangssperre von 21 bis 6 Uhr. Ansammlungen von mehr als fünf Personen sind nicht erlaubt – außer bei Gottesdiensten. Der Postverkehr wird eingestellt, Telefonleitungen stillgelegt, Tageszeitungen müssen den Betrieb einstellen. Jegliches Fotografieren ist verboten. Die in Bonn verbliebenen Polizeibeamten unter Polizeiinspektor Wilhelm Brandt stellen sich den Amerikanern zur Verfügung, um die allgemeine Ordnung aufrecht zu erhalten. Weil die Polizeiuniformen denen der Wehrmacht stark ähneln, kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen, sodass die Polizisten Zivilkleidung mit Armbinden tragen.“
Im Siebengebirge ziehen sich die deutschen Truppen hinter die Autobahn zurück. Allein beim Kampf um das Dörfchen Aegidienberg hat die 9. US-Panzerdivision mehr als 2000 Tote und Verwundete zu beklagen. Zwischen Remagen und Erpel stürzt die schwer beschädigte Ludendorff-Brücke unter der Last der amerikanischen Truppentransporte ein. 32 US-Soldaten kommen ums Leben, mehr als 60 Menschen werden verletzt. Nur die Brückenpfeiler bleiben erhalten. Die 3. US-Armee dringt in Koblenz ein.

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18. März

Frieden ist das noch nicht: Noch immer schlagen in Bonn deutsche Artilleriegranaten ein, abgeschossen von (noch) unbesetzten rechten Rheinufer. Doch auch ein von Bomben unversehrtes Haus ist in diesen Tagen keine Garantie für ein eigenes Dach über dem Kopf. Gerade repräsentative Gebäude wecken Begehrlichkeiten bei den Alliierten. Und nicht nur die, wie auch die zwölfjährige Uschi Keusen und ihre Familie erfahren müssen. Am 18.März notiert die Mehlemerin in ihrem Tagebuch: „Es steht sehr schlimm um unser Häuschen! Beinahe alles, was nicht fest oder zu schwer war, ist weg: Das Radio, zwei Geigen, der Filmapparat samt Projektor, mein ganzer Schmuck! Das tut mir sehr weh. Die schönen Sachen sind doch beinahe alle von meiner Kommunion. Besonders um das schöne Kettchen und den Anhänger von Tante Tidda tut es mir leid. Aber die gute Mami hat gesagt, ich bekäme von ihr wieder neuen Schmuck.“ Im Siebengebirge marschieren die Amerikaner voran: Bis Nieder- und Oberdollendorf, Windhagen. Orscheid, Wülscheid, Quirrenbach, Hühnerberg und Rostingen.

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19. März

Die Taktik der „verbrannten Erde“ soll nach dem Willen Hitlers nun auch im gesamten Reichsgebiet zur Anwendung kommen. „Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören“, heißt es in seinem „Nerobefehl“. Auch die alliierten Bomber fliegen weiter, am 19. März ist etwa die Stadt Hanau Ziel ihrer todbringenden Fracht, während an der Ostfront in Schlesien und Pommern weiter tausende sterben. Als geradezu harmlos erleben den Tag die meisten Menschen in Oberkassel, Römlinghoven und Heisterbacherrott, wo der amerikanische Vormarsch an diesem Tag endet. Auch die Beueler warten nun auf die Amerikaner. In Bonn ist unterdessen Schlangestehen vor den Geschäften zu einer der Hauptbeschäftigungen geworden.

Beim Kartoffelsetzen in seinem zum Rhein gelegenen Garten stirbt am 19. März in Graurheindorf erneut ein Bonner durch ein Geschoss, das von deutschen Truppen auf der gegenüberliegenden Rheinseite abgefeuert worden war. Aus militärischer Sicht beginnt schräg gegenüber, am nördlichen Siegufer, der Ruhrkessel.

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20. März

Weiter geht der Vormarsch der Amerikaner nach Vinxel, Stieldorf und Oberpleis. Küdinghoven wird von amerikanischen Truppen beschossen, gegen 16 Uhr marschieren Panzer von Oberkassel nach Beuel. Bürgermeister Max Schmitz übergibt die Stadt gegen 16.30 Uhr. „Um viertel vor sechs“, erinnert sich der spätere Beueler Bezirksvorsteher Hans Lennarz, „kamen die Amis von Vilich aus in Geislar an“. Auf dem „Alten Pütz“ in der Ortsmitte glauben einige junge Leute – Besatzung einer Flakstellung – noch den Krieg gewinnen zu können. Das Gefecht ist kurz, die Deutschen gehen in Gefangenschaft.

„Und wir Kinder machten Bekanntschaft mit amerikanischer Schokolade und Bisquit“, so Hans Lennarz, der weiter berichtet: „Die Amerikaner waren sehr vorsichtig und durchsuchten jedes Haus. Uns Kindern gegenüber waren sie sehr großzügig. Ohnehin war die Beziehung zu ihnen insgesamt harmonisch, auch wenn wir aus unserem Haus herausmussten, weil es der US-Kommandant als Quartier bezogen hatte. Wir übernachteten beim Bauern gegenüber, meine Mutter durfte weiter daheim unsere Ziegen füttern – was nicht zuletzt zur Unterhaltung der Soldaten beitrug. Eine unserer Krippenfiguren – ein Kamel – zierte fortan die Frontscheibe eines amerikanischen Jeeps.“

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21. März

„Halten Sie sich morgen mittag bereit und nehmen Sie Gepäck für vier Wochen mit.“ Das ist die Anweisung, die Eduard Spoelgen am 21. März in Aachen von einem amerikanischen Offizier entgegennimmt. Der Plan: Spoelgen, bis 1934 Beigeordneter der Stadt Bonn, soll an seine frühere Wirkungsstätte zurückgehen und die neue Zivilverwaltung aufbauen. Im Stadthaus am Bottlerplatz trifft der frühere Zentrums-Politiker auf den amerikanischen Stadtkommandanten Major Cofran. Dessen Hemdsärmeligkeit scheint auf Eduard Spoelgen nachhaltig zu wirken. In seinen Erinnerungen an jenen Tag notiert er später etwas verstört: „Er pflegte bei seinen Unterhaltungen seine Füße auf den Schreibtisch zu legen“. Auch über das weitere Vorgehen hat der Amerikaner offenbar klare Vorstellungen: „Sie sehen angegriffen aus. Nehmen Sie ein Bad, suchen Sie sich eine Wohnung und kommen Sie um vier Uhr wieder“, so seine Order an den Verwaltungsbeamten.

Um vier Uhr geht die Unterredung ohne unnötiges Federlesen weiter: „Es wurde mir eröffnet, daß ich Vorschläge für eine neue Verwaltung zu machen hätte. Ich selbst käme wegen meines Alters von 68 Jahren nicht mehr für einen Posten in Frage“, so Spoelgen. Eine Woche später wird Cofran es sich anders überlegen – und Spoelgen zum neuen Bonner Oberbürgermeister ernennen.

Vorbei an Menden erreicht das 303. Regiment der 97. US-Infanteriedivision das Siegufer bei Buisdorf und Mülldorf. Für die Siegburger beginnt eine schwere Zeit: Wochenlang beschießen die Amerikaner Siegburg nun mit Granatwerfern. 

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22. März

Auf einer Obstwiese zwischen Unkel und Rheinbreitbach gelingt den amerikanischen Pionieren eine Meisterleistung: An nur einem Tag richten sie die Freifläche zu einem Flugplatz her, um von dort die vielen Verwundeten nach den Kämpfen im Siebengebirge in Lazarette nach Frankreich zu bringen. Benötigt wird der Flugplatz allerdings nur einen Tag lang. Denn die Truppen kommen so rasch vorwärts, dass er schnell seine Aufgabe verliert. Zwischen Königswinter und Mehlem errichten die Amerikaner am selben Tag eine Pontonbrücke.

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23. März

In Bonn breitet sich der Frühling aus, die Menschen zieht es in ihre Gärten. Am Niederrhein wird weiter gestorben. Bei Wesel steht eine der wichtigsten Operationen der Endphase des Zweiten Weltkriegs unmittelbar bevor. Bei Wesel setzt Bernard Montgomerys 21. Heeresgruppe zum Übergang über der Rhein an. Mondlicht und Nebel kommen den Alliierten bei der „Operation Plunder“ entgegen. Bomber der Royal Airforce bereiten den Übergang vor und löschen Wesel nahezu vollständig aus. Montgomerys Tagesbefehl: „Die 21. Heeresgruppe wird nun über den Rhein gehen. Der Feind denkt vielleicht, dass er sicher hinter diesem großen Flußhindernis ist . . . wir werden ihm zeigen, er ist alles andere als sicher dahinter.“

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24. März

Aus seinem Büro am Bottlerplatz blickt der von den Amerikanern eingesetzte Bonner Verwaltungschef Eduard Spoelgen auf eine Trümmerlandschaft. Gerade einmal zwei Wochen ist es her, da hielten sich Wehrmacht und Volkssturm am nahen Windeckbunker zur Verteidigung der Stadt bereit. Szenen wie aus einer anderen Welt. Auch die drei Söhne des 68-jährigen sind bei der Wehrmacht, die ist Tochter als Apothekerin in Berlin kriegsverpflichtet. In Bonn soll der langjährige Stadtverordnete des Zentrums nun eine Zivilverwaltung aufbauen. Als Spoelgen den Amerikanern nach einer Woche ein Programm vorlegt, ernennt ihn deren Kommandeur Major Cofran zum Oberbürgermeister. Spoelgen nimmt – aus Sorge um seine Kinder – das Amt an, nicht aber den Titel.

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25. März

Befreiung, Besatzung, Erleichterung – die Ambivalenz erfasst auch das Alltagsleben. Die 12-jährige Uschi Keusen, in deren Mehlemer Elternhaus die Amerikaner vorübergehend ein Offizierscasino eingerichtet haben, protokolliert  in ihrem Tagebuch: „Als wir heute morgen zuhause waren, stellten wir fest, daß das Offiziers-Casino aufgehoben ist. Aber o weh! Was haben sie alles mitgenommen! Von unserem Silber ist fast gar nichts mehr da. Wir haben viele fremde Sachen. Die Soldaten haben Teller und Silber einfach in die Haselnußbüsche geworfen. Natürlich ist die Hälfte kaputt. Nachdem sie die Tassen ausgetrunken hatten, haben sie sie einfach zum Fenster hinausgeworfen. Jetzt werden hier überall Brücken gebaut. Es gehen Gerüchte um, Hitler, Goebbels und Göring hätten sich erschossen. Dann heißt es wieder, die gesamte Deutsche Wehrmacht hätte kapituliert. Könnten wir doch einmal Radio hören!“ An der Rheinfront gelingt es den Alliierten, die bestehenden vier Brückenköpfe zu eine 48 Kilometer langen Einbuchtung zu vereinigen. Die Amerikaner rücken nach Südhessen vor. In Hamburg brennen unterirdische Öllager. 606 RAF-Bomber greifen Hannover, Münster und Osnabrück an.

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26. März

Max Horster, der bis zum 31.März 1945 kommissarisch die Zivilverwaltung Bonns leitet, erinnert sich später: „Die Verhandlungen mit den Militär-Bevollmächtigten wurden in durchaus angemessenen Formen geführt. Das Verhältnis zwischen Besatzung und Bevölkerung wurde erstmalig einer schwierigen Belastungsprobe ausgesetzt, als etwa 10 Tage nach der Besetzung Bonns die Räumung großer Teile des noch erhaltenen Wohnraums von der Besatzung kurzfristig erzwungen wurde, ohne daß die Bevölkerung die notwendigsten Habseligkeiten mitnehmen konnte. Es kam in den von der Zivilbevölkerung geräumten Gebieten zu erheblichen Diebstählen und Zerstörungen, wobei sich in vielen Fällen nachweisen ließ, daß Deutsche maßgeblich beteiligt waren.“

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27. März

Im Verwaltungssitz am Bonner Bottlerplatz geht der künftige Oberbürgermeister Eduard Spoelgen an die Arbeit. Weit oben auf der Prioritätenliste steht eine Ergebenheitserklärung an US-Kommandant Major Cofran. Des weiteren: die Instandsetzung der Wasser-, Gas- und Stromleitungen, Schuttbeseitigung und die Herrichtung des zerstörten Wohnraums. Eine Stadt, die nichts mehr zu verlieren hat, liegt vor Spoelgen. Dass er mit den Amerikanern kooperiert, macht ihn aus Sicht der NSDAP zum Verräter. Denn noch heißt der Reichskanzler Adolf Hitler. Später erinnert sich Spoelgen an jene Tage: „Wir empfanden es jedoch als kränkend, daß uns Deutschen in der ersten Zeit auf ausdrückliche Weisung von oben kein Handschlag geboten und oft kein Stuhl angewiesen wurde.“ Dafür kann Spoelgen auf eine „leistungsfähige Verwaltung“ bauen, wie er konstatiert. Stark belastete Nationalsozialisten müssen entlassen werden – soweit sie nicht schon untergetaucht sind. Alle übrigen Parteimitglieder dürfen weiterbeschäftigt werden – bis sich den Alliierten die Situation in Auschwitz offenbart: Sämtliche Mitglieder der NSDAP werden aus dem Dienst entlassen, bis Ende 1945 werden 268 Beamte vom Dienst suspendiert, selbst die Putzfrauen im Stadthaus müssen gehen.

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28. März

Durchs Rheintal bei Bonn zieht ein Hauch von Frieden, in der weiteren Umgebung hingegen wird erbittert gekämpft. Die Sieg bildet die Front zum Ruhrkessel, in dem 300 000 deutsche Soldaten der Heeresgruppe B von den Alliierten eingeschlossen sind. Gleichzeitig stoßen die Amerikaner im Westerwald bis Altenkirchen vor und nehmen Dorf für Dorf. Unter den Jungen beginnt ein lebensgefährliches Spiel mit „Geschenken“, die die Wehrmacht zurücklässt: Panzer, Geschütze und Munition. Die Ladung der Granaten verlockt zu einer Mutprobe besonderer Art. Wer hat die meisten Pulverstangen?

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29. März

„Noch nie war eine Karwoche so traurig wie diese“, schreibt die zwölfjährige Uschi Keusen in ihr Tagebuch. Und weiter: „In unserem Häuschen sind jetzt wieder andere. Es ist eine Ingenieurs-Gruppe, welche am Brückenbau beschäftigt ist.“ Während die Pontonbrücke nach Königswinter allmählich Gestalt annimmt, beobachtet die junge Mehlemerin, wie Verkehrsschilder bemalt werden. Ihre Aufschriften: „One Way Traffic“ und „To the Bridge“. Mit dem Monatswechsel verbindet die Schülerin eine neue Hoffnung: „Der unruhige Monat März ist nun zu Ende. Hoffentlich wird es im April ein wenig ruhiger, und wir können wieder in unser Häuschen.“ In der Nähe von Speyer betreten nun auch französische Truppen deutschen Boden.

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30. März

Siegburg ist seit drei Wochen ohne Strom und fließendes Wasser. In den Kellern warten die Menschen auf die Amerikaner. Dass die keine Bestien sind, wie es die Nazipropaganda den Menschen glauben machen will, erfährt die Bergheimer Familie Boss am Telefon. Per Ortsgespräch – Bergheim gehört telefonisch zu Bonn – erkundigt sich die Familie bei Bekannten nach der Lage in der Stadt. Zu ihrer Erleichterung erfahren die Bergheimer, dass sich die „Amis“ der Bevölkerung gegenüber dort recht human aufführen.

Der amerikanische General George Patton gibt einen Tagesbefehl an seine 3. US-Armee heraus, in dem er behauptet, die Armee habe in sieben Wochen 14.484 Quadratkilometer von Deutschland besetzt und 3072 bewohnte Ortschaften genommen sowie 99.000 deutsche Soldaten getötet oder verwundet und weitere 140.000 gefangen genommen. Im Osten erobert die Rote Armee Danzig, im zur Festung erklärten Königsberg wird weiter gekämpft.

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31. März

Noch steht an der Bonner Nußallee eine schwere US-amerikanische Batterie, die bis vor kurzem über den Rhein hinweg feuerte. In der Stadt haben Schwarzmarkt und Tauschhandel Fahrt aufgenommen. Vor allem die Gegend um die Kasernenstraße gilt als Umschlagplatz. In Scharen ziehen Bonner täglich mit Rucksäcken und Leiterwagen ins Umland, um dort gerettete Gegenstände gegen Nahrungsmittel einzutauschen. Was nicht selbst benötigt wird, wandert auf den Schwarzmarkt. Selbst der zur Leichenkonservierung benutzte Alkohol aus der Anatomie soll auf dem Schwarzmarkt gelandet und zur Herstellung von Schnaps benutzt worden sein.

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1. April

Die Mangelversorgung an Lebensmitteln und die allgemeine Situation machen sich für die Bonner auch auf den österlichen Gabentischen bemerkbar. Unverblümt stellt die junge Tagebuchschreiberin Uschi Keusen fest: „Jeder bekommt ein Osterei. So erbärmlich war es noch nie. Wenn wir doch wenigstens die Osterfreude hätten, wieder nach Hause zu können. Die Mami meint, wir dürften überhaupt nicht mehr runter, denn die Häuser würden für immer beschlagnahmt. Aber ganz so schwarz sehe ich denn doch nicht.“

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2. April

75 Jahre nach dem Frühling 1945 erinnert  sich Thea Vogel, die damals noch Thea Schneider hieß, an ein Erlebnis in Graurheindorf in den ersten Wochen der amerikanischen Besatzung: „Auf dem Kasernengelände an der Husarenstraße hatte die Wehrmacht ein Proviantlager eingerichtet, plötzlich sprach sich herum, dass dort die Tore geöffnet worden waren. Ich war damals zwölf Jahre alt und bin mit meinem Vater und meinem drei Jahre älteren Bruder sofort hingelaufen. Manche kamen uns schon mit Schubkarren entgegen, wir hatten nur Taschen dabei“. Das Erfolgserlebnis trübte das nicht: Neben Butter und Schmalzfleisch in Dosen ergatterte die Familie einen Stoß karierte Bettwäsche. „Daraus hat mir meine Mutter dann ein Kleid genäht“, erzählt Thea Vogel, die seit vielen Jahren auf dem Venusberg lebt.

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3. April

Wie so oft in jenen Tagen sei er mit dem Vater durch die völlig zerstörte Bonner Altstadt spaziert, da sei es passiert, erinnert sich 75 Jahre später der damals achtjährige Ferdinand Kösters: „Plötzlich hörten wir ein Flugzeug und die Geschosse. Auf der Sandkaule begegnete uns in dem Moment ein US-Soldat mit Karabiner. Gemeinsam mit dem Amerikaner suchten wir in einer Ruine Schutz vor dem (jetzt) feindlichen deutschen Flieger, der sich noch einmal der Stadt genähert hatte.“ Den Bürgerverein an der Poppelsdorfer Allee (an der Stelle des späteren Hotels Bristol) und eine Häuserzeile an der Quantiusstraße hatten die Amerikaner beschlagnahmt. Ferdinand Kösters, der im Annagraben aufwuchs und dort 1943 ausgebombt wurde: „Mit einem amerikanischen Soldaten habe ich mich angefreundet. Das bedeutete unter anderem: Schokolade und Süßigkeiten.“

Dass die Verständigung mit den neuen Machthabern nicht immer ohne Hürden war, zeigt sich in einer Szene am Hofgarten. Als Ferdinand Kösters Schwester Gisela mit einer Freundin im Hofgarten unterwegs ist, dessen Bäume von Bomben und Granaten zerfetzt waren, hält ein Jeep vor den beiden Mädchen. Ein amerikanischer Offizier springt heraus und sagt auf Deutsch: „Was ist nur aus meinem schönen Bonn geworden?“ Gisela reagiert geistesgegenwärtig und entgegnet: „Das habt Ihr doch alles kaputt geschmissen!“. „Vor dem Krieg“, so Ferdinand Kösters, „hatten bekanntlich viele Amerikaner in Bonn studiert, und die Stadt war ihnen als Beethovens Geburtsstadt ein Begriff.“

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4. April

Kindheit im zerstörten Bonn, das gestaltet sich in etwa so: „Wir Kinder durchstreiften die zerstörten Häuser, vor allem Gebäude, in denen zuvor deutsche Soldaten untergebracht waren“, erinnert sich der damals achtjährige Ferdinand Kösters in seinem 2014 erschienen Buch „Bonn. Meine kleine Stadt“. Kösters weiter: „So fand ich einmal in einem Haus in der Nähe der Marthalle deutsche Zigaretten der Marke Eckstein und eine Dose mit der so genannten Panzer-Schokolade, die das Aufputschmittel Pervitin enthielt. Manchmal durchstreiften wir auch den noch erhaltenen Brückenturm am Bonner Rheinufer“.

Schokolade war auch das Zauberwort, mit dem die amerikanischen Soldaten deutsche Mädchen zu umgarnen suchten. „Meine Schwestern erzählten, dass die Soldaten schon den Spruch beherrscht hätten: „Five minutes promenade, eine Tafel chocolate“.

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5. April

Erste alliierte Truppen überqueren zwar bereits die Weser, aber noch immer nicht die Sieg. Angespannt wartet die Zivilbevölkerung in Siegburg auf den „Endkampf“ um ihre Stadt, die seit Wochen unter Beschuss liegt. 15 Kilometer südlich strömt die vor der Front geflohene Zivilbevölkerung bereits wieder in Massen hinter die amerikanischen Linien – gelangt aber nur bis an den Rhein. Denn dort gibt es zwischen Koblenz und Düsseldorf keine intakte Brücke mehr. Nur die „Hodges-Bridge“ zwischen Godesberg und Niederdollendorf ist nun praktisch fertig – und lässt das kleine Dollendorf zu einem strategischen Knotenpunkt für den amerikanischen Nachschub werden

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6. April

Nach dem Einsturz der Brücke bei Remagen haben amerikanische Pioniere zwischen der Godesberger Bastei und Niederdollendorf eine Pontonbrücke über den Rhein geschlagen und sie nach dem Kommandeur der 1.US-Armee, Courtney Hicks Hodges, benannt. Nach zwei Wochen ist sie nun betriebsbereit, zunächst aber dem amerikanischen Nachschub zur Front vorbehalten. Doch bereits jetzt beginnt sich der 3000-Einwohner-Ort Niederdollendorf mit Tausenden Flüchtlingen zu füllen. Ihre Hoffnung: über die einzige Rheinbrücke weit und breit bald wieder in ihre linksrheinischen Heimatorte zu gelangen.

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7. April

Über Siegburg und Hennef hat sich die Ruhe vor dem erwarteten Sturm in Gestalt des amerikanischen Angriffs gelegt, in Bonn arbeitet derweil der sogenannte Fünferrat der Verwaltung munter weiter – neben Oberbürgermeister Eduard Spoelgen sind das Finanzverwalter Knuth, die Universitätsprofessoren Cloos und Ceelen und der Gewerkschaftsführer Dani. Mit der fortschreitenden Entnazifizierung unter den städtischen Mitarbeitern klaffen in der Verwaltung zunehmend Lücken. Zum Teil werden alteingesessene Bonner Geschäftsleute zur Erfüllung ihrer Aufgaben berufen.

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8. April

Einen Monat später als im nahen Bonn bekommen nun auch die Menschen jenseits der Sieg erstmals amerikanische Soldaten zu Gesicht. Es ist Weißer Sonntag. Bei Hennef setzen die Alliierten über den Fluss und setzen zum Angriff auf Siegburg an. In den Gassen der Innenstadt unterhalb des Michaelsberges kommt es zu heftigen Kämpfen. Insgesamt aber ist der Widerstand der Wehrmacht geringer als von den GIs vermutet. Nur wenige reguläre Truppen und Volkssturmleute versuchen, die Stadt zu verteidigen. Im Garten des Krankenhauses erschießen Hitlerjungen zwei deutsche Soldaten – aus Versehen, denn sie haben sie für Amerikaner gehalten.

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9. April

75 Jahre her und doch allgegenwärtig: Die fast 93-jährige Rosi Gollmann, bekannt als Gründerin der Andheri-Hilfe, hat die Geschehnisse im Frühjahr 1945 noch vor Augen. Das Kriegsende erlebte die Bonnerin in Oberbayern: In Altenstadt, wo ihr Bruder als Soldat stationiert war, hatte sie ihre Eltern vor den Bombenangriffen auf Bonn in Sicherheit gebracht. In Altenstadt wird sie selbst kurz vor Kriegsende noch als Wehrmachtshelferin einberufen, Führungsoffizier am dortigen Fliegerhorst ist ein gewisser Oberleutnant Franz Josef Strauß. Der wird auf die 18-jährige Bonnerin aufmerksam und macht sie, kaum ist er einige Monate später zum Landrat bestellt, zu seiner Sekretärin. In Siegburg gewinnen am 9. April 1945 die Amerikaner die Kontrolle über die Stadt. Ihr nächstes Ziel: Troisdorf.

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11. April

Im Osten Deutschlands ist die Festung Königsberg gefallen, hier im Westen stehen die Amerikaner an der Agger und bereiten den Angriff auf Troisdorf vor. Die Besetzung von Siegburg ist Überlieferungen zufolge der erste Kampfeinsatz für die 97. US-Infanteriedievision, die erst eine Woche zuvor aus den Vereinigten Staaten an die Front geschickt wurde. Und die nächsten Tage werden für die jungen Männer dieser Einheit sogleich die härtesten des gesamten Krieges. Denn auch hier gibt sich die Wehrmacht nicht geschlagen und hat sich auf Häuserkampf eingerichtet. Die Divisionschronik der Amerikaner hält – geografisch nicht ganz lupenrein – für die Nachwelt fest: „Das Ausräumen der Klöckner-Werke in Troisdorf war eine der erbittertsten Schlachten des Feldzuges an der Ruhr.“

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14. April

Frühling und ein Hauch von Frieden in Bonn – Kämpfen und Sterben wenige Kilometer siegaufwärts. Hugo Specker, Pfarrer der Liebfrauenkirche im Hennefer Stadtteil Warth, notiert über die letzten Kriegswochen: „Drei Wochen lang, vom 14. März bis zum 15. April, war Krieg in Hennef, der sich hauptsächlich zwischen Pfarrhaus Warth (ca. 30 Amerikaner mit Geschützen oben auf dem Speicher) und Schloss Allner (deutsche Soldaten) auf der anderen Siegseite abspielte.“ Trotz der anwesenden US-Soldaten erhält der Ort alliierte Bombentreffer, denen auch eigene Kräfte zum Opfer fallen. Die Erstkommunion am Weißen Sonntag muss abgesagt werden, umso prächtiger fällt einige Wochen später der Fronleichnamstag aus. Aufgetan hat die Aufzeichnungen Speckers der aus Warth stammende Gerhard Günther, Jahrgang 1944. Er erinnert sich: „Meine Mutter erzählte oft vom Erscheinen der ersten Soldaten in unserem Keller, die Gläser mit Eingemachtem ‚requirierten’, nachdem Mutter sie aus Furcht vor Gift probeessen musste.“

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15. April

Bonn. Immer mehr Menschen, die vor der Front geflüchtet waren, wollen zurück auf die linke Rheinseite. Die Hodges-Brücke zwischen der Bad Godesberger Bastei und Niederdollendorf ist die einzige intakte Brücke zwischen Koblenz und Düsseldorf. In Dollendorf herrscht Ausnahmezustand, denn nun dürfen auch Zivilisten die Brücke nutzen. In der Pfarrchronik heißt es: „Mächtige Kolonnen, meist Pferdefuhrwerke, standen Tag und Nacht in der Heisterbacher Straße, Hauptstraße, Kronprinzenstraße. Kein Zivilist kam über die Brücke, der nicht den Passierschein und den Entlausungsschein vorzeigen konnte. Die Entlausung geschah für alle in einem Gebäude der Didierwerke am Bahnhof. Manch einer kam schimpfend und fluchend aus dem Entlausungsgebäude heraus, während er noch den weißen Staub als Kennzeichen der stattgefundenen Entlausung an sich trug. Kurz nachdem die Engländer die Besetzung stellten und die Bewachung der Brücke übernommen hatten, wurde die Entlausung nicht mehr verlangt.“ Und ein anderer Dollendorfer erinnert sich: „Wir hatten manchmal 20 bis 30 Leute im Haus. Die Züge kamen ja unplanmäßig an. Dann standen die Leute da und wollten auf die andere Rheinseite.“

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16. April

Die Hofgartenwiese vor dem zerbombten kurfürstlichen Schloss, die schon im Ersten Weltkrieg als Kuhweide zweckentfremdet wurde, hat nun erneut eine neue Aufgabe zu erfüllen – als provisorisches Kriegsgefangenenlager, das vor allem der Entlassung dient. Für viele andere Soldaten geht es in die sogenannten Rheinwiesenlager, die die Amerikaner notdürftig auf freiem Feld zwischen Remagen und Sinzig eingerichtet haben. Aus dem gegenüberliegenden Leubsdorf berichtet die Zeitzeugin Ilse Busley, zu Ostern seien die Leubsdorfer Kirchenlieder im Lager auf der anderen Rheinseite aufgegriffen und mitgesungen worden: „Erschütternd und doch beglückend, diese Kraft des Glaubens hinter Stacheldraht zu vernehmen!“. Im Osten beginnt am 16. April der Endkampf um Berlin: Schukows 1. Weißrussische Front eröffnet die Offensive auf die Hauptstadt. Und vor der deutschen Küste versinkt das deutsche Transportschiff „Goya“ nach einem Treffer durch ein russisches U-Boot. 6 220 Flüchtlinge ertrinken in der Ostsee.

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17. April

Das „Organisieren“ von Nutzbarem aller Art seitens der Bonner Bevölkerung nimmt einen guten Monat nach dem Einmarsch der Amerikaner offenbar Formen an, die zunehmend Probleme bereiten. Hilfesuchend wendet sich etwa der Direktor der Bad Godesberger Ringsdorff-Werke im April 1945 an den neuen Bürgermeister Wilhelm Josef Zander und den amerikanischen Militärkommandanten: „Die Plünderungen und Diebstähle in den offenstehenden Werksanlagen haben einen derartigen Umfang angenommen, dass eine baldige Ingangsetzung des Werkes, die ja durchaus im wirtschaftlichen Interesse der Gemeinde liegt, auf das Ernsteste gefährdet ist.“ Aus seiner Sicht gibt es nur eine Lösung für das Problem: GIs sollen die Fabrik bewachen.

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18. April

Für die Bonner sind die Versorgung mit Lebensmitteln – und mit nicht immer zweifelsfrei zu bestätigenden Nachrichten – wesentliche Pfeiler des täglichen Lebens, wie ein Tagebucheintrag der damals zwölfjährigen Uschi Keusen zeigt. Zum 18. April trägt die Mehlemer Schülerin darin ein: „Papi musste letzte Woche nach Godesberg, eine Luftwaffenhelferschule säubern. Neben uns hat das ‚American Red Cross’ eine Pastetenbäckerei. Die neuesten Nachrichten sind: Baldur von Schirach und Sepp Dietrich sind von den Deutschen getötet worden in Wien. Von Papen und der 95-jährige Generalfeldmarschall von Mackensen sind gefangen. Die Oberste der Frauenschaft Frau Scholz-Klink hat sich in Stuttgart ermordet. Ebenfalls der General Model. Baden-Baden und Nürnberg sind kampflos gefallen.“

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20. April

An das Kriegsgefangenenlager auf der Hofgartenwiese und an die damalige Bedeutung von Grundnahrungsmitteln erinnert sich 75 Jahre später die Bonnerin Therese Rüdig, deren Mann vor der Kulisse des zerbombten Schlosses interniert war: „Er musste dort beim Aufräumen helfen. Als er und andere Mitgefangene von der Hofgartenwiese nach Hause entlassen wurden, durften sie so viel an Lebensmitteln mitnehmen, wie sie auf ihren Schultern tragen konnten. Immer wieder erzählte er, dass er es nicht fassen konnte, dass Italiener große, leichte Pakete mit Nudeln auswählten. Wenn sie, wie er, Büchsenfleisch mitgenommen hätten, hätten sie es auf dem ‚Markt’ für ein Vielfaches an Nudeln tauschen können. In Nürnberg nutzen die Amerikaner den 20. April, Hitlers Geburtstag, zu einer Machtdemonstration: Über dem Reichsparteitagsgelände hissen sie ihre „Stars and Stripes“

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21. April

In ihrem Tagebucheintrag vom 21. April fasst sich die zwölfjährige Uschi Keusen aus Mehlem kurz: „Gestern hatte Adolf Hitler Geburtstag.“ Es war sein letzter. „Frau Dr. Funken sagte mir, die Amerikaner seien bei Ingolstadt auf dem Weg nach München.“ Noch viel mehr Freude bereitet der Familie ein eng gefalteter Zettel, den ein kleiner Junge als „Kurier“ in Mehlem vorbeibringt. Absender ist Vetter Eddy und die erleichternde Nachricht lautet: „Bin gesund in amerikanischer Gefangenschaft. Mir geht es gut. Macht Euch keine Sorgen.“

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22. April

Während im 600 Kilometer entfernten Berlin der Endkampf tobt und russische Truppen die ersten Außenbezirke der Hauptstadt erreichen, nutzen die Bonner den sonnigen Frühling zu ausgedehnten Streifzügen, wie sie dem damals achtjährigen Ferdinand Kösters in lebhafter Erinnerung geblieben sind: „Besonders häufig gingen wir am Rhein entlang und dann durch die total zerstörte Altstadt zurück. Dabei betrachteten wir immer wieder die Trümmer der gesprengten Rheinbrücke. Der große Brückenbogen lag mitten im Fluss, der Beueler Strompfeiler war noch völlig intakt mitsamt seinen Türmchen. Man konnte auf der Bonner Seite bis zum Brückenturm unmittelbar am Flussufer gehen und mein Vater meinte, mit etwas Glück und Geschick könnte man über die im Fluss liegenden Trümmer auf die andere Seite klettern.“

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23. April

Auch vier Wochen nach Ende der Kampfhandlungen ist in den Wäldern und Orten rund um Bonn eine bedrückende und grausame Arbeit im Gange. Denn längst nicht sind alle Gefallenen geborgen worden. Am Rand von Ittenbach etwa haben die Amerikaner mit zwangsrekrutierten Königswinterern einen Soldatenfriedhof angelegt, auf dem sie die Gefallenen aus der ganzen Gegend bestatten – sauber getrennt nach deutschen und alliierten Soldaten. An manchen Tagen werden hier mehr als hundert Tote angeliefert. In der Pfarrchronik Oberpleis notiert später Gemeindepfarrer Wichert: „Eine andere echt priesterliche, wenn auch bittere Aufgabe war die Heimholung der Toten, die noch auf ihre Bestattung in geweihter Erde warteten. So wie sie draußen lagen: an Feld- und Straßenrand, in Wiesen und Gärten, oft wohl von liebender Hand begraben und betreut, oft genug aber auch unbestattet, konnten sie nicht liegen bleiben. (…) Es war ein schweres Werk für die Männer, die sich bereitfanden, die oft arg zerfetzten, ohne Sarg begrabenen Leichen wieder auszugraben und zum Friedhof zu bringen…“

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24. April

Noch eine Schilderung zur Bergung der Gefallenen. Im Buch „Kriegsende im Siebengebirge“ berichtet ein Augenzeuge aus Ittenbach:

 

„Kriegsende im Siebengebirge“

„Nachdem die ersten Gräber ausgehoben waren, wurde ich mit zwei anderen dazu bestimmt, gefallene Krieger in die Gräber zu legen. Die Gefallenen waren in Leinensäcke gehüllt, die teilweise außen Blutspuren aufwiesen. Über dem ganzen Feld lag ein süßlicher Leichengeruch. Wir wussten nicht, ob wir Freund oder Feind beisetzten, aber an jedem Leichensack war eine Kennung angebracht und die Stelle der Beisetzung wurde von zwei Amis gewissenhaft in einem Plan vermerkt (…). Es war schrecklich, die ganze Grausamkeit und Realität des Krieges buchstäblich in den Händen zu halten. Ich dachte viel an meinen gefallenen Vater, meine drei gefallenen Onkel, meinen gefallenen Vetter und meinen damals vermissten Bruder.“

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25. April

Abenteuerzeit für die Bonner Kinder. Ferdinand Kösters, damals acht Jahre alt, berichtet: „Amerikanische Truppen waren in der Karlschule untergebracht und ihre militärischen Geräte waren ein Anziehungspunkt für uns Kinder. So schlenderte auch ich um den Schulhof herum, den man natürlich nicht betreten durfte. Ich schaute mir hinter dem Eisengitter stehend das Treiben auf dem Schulhof an, als plötzlich ein amerikanischer Soldat auf mich zukam und sagte: ‚Dä Jung, da häste ne Kaugummi.‘ Als ich am anderen Tag wieder dorthin ging, um mir einen weiteren Kaugummi abzuholen, waren die Soldaten verschwunden.“

Unterdessen blüht in Bonn der Schwarzmarkt auf, Hauptumschlagplatz sind Hauseinfahrten und Hinterhöfe an der Kasernenstraße. Für viele Bonner besteht das Tagesprogramm aus ausgedehnten Ausfahrten ins Vorgebirge und die Voreifel. Die „harten Währungen“ dort heißen Brot, Kartoffeln, Eier, Speck und frisches Obst. Und am Alpenrand nehmen am 25. April mehr als 300 britische Bomber Hitlers Hauptquartier auf dem Obersalzberg unter Beschuss.

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27. April

Der Vormarsch der Alliierten offenbart die Situation in den Konzentrationslagern. In Zeitungen erscheinen große Artikel mit erschütternden Bildern über die Greuel. „Die K.Z.-Schande wird enthüllt“, heißt es im „Kölnischen Kurier“, den die US-Armee für die Bevölkerung in der Region herausgibt: „Auf ihrem Siegeszug durch Deutschland blieb die amerikanische Armee nicht oft stehen. Aber es war ihre Pflicht, halt zu machen, wo immer sie ein Konzentrationslager fand.“

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28. April

Trotz Waffenruhe, Kaugummi und „Cakes“: Die Regeln der Amerikaner sind rigide. Aus Sorge vor Widerstand und Sabotage gilt eine Ausgangssperre. Höchstens zwei Stunden am Tag dürfen sich die Rheinländer frei Bewegen. Bei Verstößen drohen harte Strafen. Selbst die Benutzung eines Fahrrads ist genehmigungspflichtig. Auf einer am 28. April ausgestellten Bescheinigung heißt es: „Mr/Mrs … wird hiermit im Einverständnis mit der Militärregierung die Erlaubnis erteilt, das Fahrrad zu benutzen auf Nebenstraßen. (…) Beim Annähern von Militärfahrzeugen ist scharf rechts auszuweichen, evtl. abzusteigen und der Bürgersteig zu benutzen.“

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29. April

Nach zwölf Jahren geht es zu Ende mit dem „Tausendjährigen Reich“. Im Führerbunker heiraten Adolf Hitler und Eva Braun, in Norditalien und Österreich legen eine Million deutsche Soldaten gegenüber den Amerikanern die Waffen nieder. Und in Mehlem sitzt die zwölfjährige Uschi Keusen und notiert am 29. April in ihrem Tagebuch: „Die gefangenen deutschen Soldaten, welche hier durch Mehlem gekommen sind, sind größtenteils in einem Lager bei Remagen. Nun sind Odenkirchens mit geliehenen Rädern dorthin gefahren, um vielleicht mit Eddy sprechen zu können oder wenigstens zu erreichen, daß ihm ein Zettel übergeben werden kann. Aber sie durften nichts von beidem. Nun wurde hier in Mehlem und in der ganzen Umgebung für diese Gefangenen gesammelt, denn sie müssen bei Regen und Kälte auf freiem Feld ohne irgend einen Schutz stehen. Da haben wir in unsere Decken, in den Hut und in die Handschuhe Zettelchen reingesteckt, welche der Empfänger weitergeben möchte, und worauf Eddy Odenkirchen stand. Hoffentlich bekommt er einen dieser Zettel, denn darauf steht, daß alle gesund sind.“

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30. April

Die Auflösungserscheinungen des Dritten Reiches sind in vollem Gange. In seinem Berliner Führerbunker setzt Adolf Hitler am 30. April seinem Leben ein Ende. Und viele Deutsche tun es ihm gleich. Viele sehen keinen anderen Ausweg: Ganze Familien vergiften, erschießen oder erhängen sich. Das Kapitel der massenhaften Selbstmorde angesichts des nahen Zusammenbruchs bleibt Jahrzehnte unangetastet. „Auch in meiner Familie gab es das. Meine Mutter träumt bis heute von diesen Ereignissen“, berichtete in Siegburg kürzlich die Zuhörerin eines Vortrags des Autors Florian Huber, der sich des Themas in einem Buch angenommen hat. Aufgearbeitet ist das dunkle Kapitel in der Region bis heute längst nicht.

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2. Mai

Der Bonner Peter Müller erinnert sich an Berichte über die Ankunft der deutschen Kriegsgefangenen, die sich im Ruhrkessel ergeben hatten und nun auf die Rheinwiesen bei Remagen gebracht wurden: „Die Amerikaner transportierten diese ausgehungerten Gefangenen auf ihren drei- und fünfachsigen Lastwagen dicht gedrängt auf der Ladefläche ins Lager. Zu dieser Zeit hatte die Bevölkerung noch eine ausreichende Lebensmittelversorgung, und so standen die Bewohner an der Mainzer Straße und versuchten, den Gefangenen Essen auf die Wagen zu werfen. Irgendwann hatte das amerikanische Wachpersonal den Befehl, diese privaten Hilfsaktionen mit der Schusswaffe zu beenden. Der 14-jährige Rolf (genannt Bobo) Sieger wurde schwer verletzt und verstarb an den Folgen Monate später. Einige (…) junge Frauen und Mädchen wurden ebenso durch Gewehrkugeln verletzt und litten ihr ganzes Leben daran.“

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4. Mai

Bei einer Zeremonie im Hauptquartier Feldmarschall Montgomerys in der Lüneburger Heide erklären alle deutschen Streitkräfte im Nordwesten Deutschlands, in Holland und Dänemark ihre Kapitulation. In Bonn hat wieder Papierkrieg Einzug gehalten. Wer die Rheinseite wechseln will, dem bleibt nur die Pontonbrücke zwischen Godesberg und Niederdollendorf. Passieren darf nur, wer die nötigen Dokumente vorweist. Auf einem am 4. Mai 1945 gestempelten Formular etwa heißt es in der Belehrung: „Ihr Körper und Ihre Kleider sind gerade mit DDT-Pulver eingestäubt worden. Das Pulver ist sehr wirksam, um Läuse zu vernichten, aber es ist vollkommen harmlos für Sie selbst.“

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5. Mai

Noch ist das Dritte Reich nicht Geschichte, dennoch ist seine Reflexion bereits im Gange. Der Königswinterer Bürgermeister schreibt am 5. Mai 1945 in seinem Lagebericht: „In der Bevölkerung macht sich, wie in verschiedenen anderen Orten, eine Stimmung gegen die Beamten und Angestellten der öffentlichen Verwaltung, die der NSDAP angehört haben und noch im Amt sind, bemerkbar. Nach meiner Ansicht und soweit wie ich feststellen konnte, wird diese Stimmung in der Hauptsache durch von auswärts her zugezogene Elemente geschürt. Ein positiver Nachweis konnte jedoch bisher nicht erbracht werden.“

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6. Mai

An den Frühling 1945 erinnert sich Ferdinand Kösters, damals acht Jahre alt, in Anekdoten wie dieser: „Ich hatte mich mit einem amerikanischen Soldaten angefreundet, der in der Quantiusstraße einquartiert war. Jack war ein netter sympathischer junger Mann, der mir ab und zu auch einmal etwas Schokolade spendierte. Er suchte eine Leica-Kamera. Da wir aber über keinen Fotoapparat verfügten, konnte ich ihm nicht helfen. Die Freundschaft hielt nicht lange, denn Jacks Einheit wurde nach Asien verlegt, wo der Krieg mit Japan noch im Gange war.

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7. Mai

In Bonn und der Region steht die Woche vor Christi Himmelfahrt im Zeichen der Bittprozessionen. Aus den Stadtteilen werden – etwa am 7. Mai 1945 – Umzüge mit vielen Hundert Teilnehmern gemeldet. Manch anderer ist unterdessen heimatlos und auf der Flucht, wie die heutige Bonnerin Ingrid Zietlow. Sie erzählt: „Ich war sieben Jahre alt, durch Krankheit (Typhus und TBC) in vielen Krankenbaracken und Kliniken, getrennt von Mutter, Bruder und Schwester, und erlebte am 9. Mai 1945 im Kopenhagener Hafen das Ende des fürchterlichen Krieges! Das war auch das Ende unserer Flucht von Ostpreußen über Danzig nach Kopenhagen. Drei Jahre waren wir in verschiedenen Lagern untergebracht, hungerten und suchten nach unserem vermissten Vater, den wir 1948 in Deutschland durch das Rote Kreuz wiederfanden.“

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8. Mai

Kaum wiederzuerkennen und doch seltsam vertraut. Das Bündel Fotos auf dem Tisch, etwas abgegriffen und doch gestochen scharf, zeigt unzweifelhaft Bonn. Unverkennbar ragen die Türme von Uni, Kreuzkirche und Münster aus den Trümmern und hinter den Fassadenresten des Gangolfviertels und der Altstadt hervor, bis heute charakteristisch auch die Pappeln am Rhein bei Schwarzrheindorf. Offenbar hatten sich die vielversprechendsten Perspektiven auf die markanten Bonner Sehenswürdigkeiten für Fotografen schon vor 75 Jahren längst herumgesprochen. Dass sich auch in Bonn zwischen den Trümmern wieder Fröhlichkeit ausbreiten konnte, davon erzählen etwa die spielenden Kinder auf den Bildern.

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